Kirk Cousins – warum immer noch kein langfristiger Vertrag?

Kirk Cousins bleibt also bei den Washington Redskins. Wieder wurde der Quarterback mit dem Franchise-Tag belegt. Warum bekommt er eigentlich keinen langfristigen Vertrag?

Die Vorgeschichte

Die NFL-Geschichte von Kirk Cousins ist eine sehr spezielle und unmittelbar auch mit jener von Robert Griffin III verbunden: 2012 tradeten die Washington Redskins nicht weniger als drei Firstround-Picks (2012, 2013, 2014) und einen Secondround-Pick (2012) zu den St. Louis Rams um an Stelle zwei des Drafts wählen zu können – ein unfassbar hoher Preis. Mit diesem Pick holte man sich RGIII als vermeintlich neuen Franchise-QB ins Team – nur um in der vierten Runde noch einen QB zu draften: Kirk Cousins. Für viele überraschend, war der Pick eine Versicherung für eine möglichen Verletzung des mobilen RGIIIs, Cousins sollte im Zweifel einspringen können. In diesem Fall sollte das Front Office der Redskins recht behalten: Griffin spielte zwar eine überragende Rookie-Regular Season, verletzte sich aber gegen Ende der Saison am Knie und sollte nur noch ein Jahr als Starting-QB für Washington auflaufen können. Cousins bekam mehr und mehr Spielzeit.

2014 hätte das Jahr von Cousins werden können: Griffin verletzte sich schon in Woche zwei, fiel wegen einer Knöchelverletzung aus, Cousins übernahm, spielte aber zwischen Genie und Wahnsinn und konnte sich am Ende aber nicht gegen Colt McCoy im Kampf um die Starting-Position durchsetzen.

Anders verlief die Situation zur Saison 2015: alle drei QBs im Roster meldeten sich fit, Jay Gruden vermeldete Cousins als Starting-Quarterback. Dieser zeigte gute Leistungen, warf gleich im ersten Jahr als Starter für 4.166 Yards und 29 TDs bei elf Interceptions. Zur allgemeinen Überraschung reichten neun Siege bei sieben Niederlagen zum Sieg in der NFC East und damit auch zum Einzug in die Playoffs. Dort war aber schon in der ersten Runde gegen die Green Bay Packers Schluss. Aber man hatte das Gefühl, Washington ist auf der Suche nach einem Franchise-QB fündig geworden – mit Captain Kirk, das kann gelingen.

Das Übergangsjahr

Cousins Rookie-Vertrag lief nach seiner ersten Saison als unumstrittener Spielführer aus – was also tun? Genau für solche Situationen gibt es den Franchise Tag, also die Möglichkeit von Mannschaften Spieler mit einem Einjahresvertrag und einem Liga-Kollektivvertrag im Team zu halten. Man wollte auf Nummer sicher gehen und Cousins erst einmal seine starke 2015er Saison bestätigen lassen.

Blickt man nur auf die Stats, dann hat er das mit 4.917 Passing-Yards, 25 Touchdowns und zwölf Interceptions auch gemacht. Aber: Stats gewinnen nicht zwangsläufig Spiele (fragt’s einmal bei Drew Brees nach), Washington verpasste den erneuten Einzug in die Playoffs mit einem Record von acht Siegen, sieben Niederlagen und einem Unentschieden. Auch wenn man bis zum Schluss im Rennen um einen Platz in der Postseason war, es sollte ob der starken Leistungen von Dallas und New York bzw. Green Bay nicht reichen. Obwohl da mehr drinnen gewesen wäre, Spiele gegen Dallas oder Detroit hätten bspw. durchaus gewonnen werden können. So blieb wieder die Frage: was tun mit Cousins? Langfristiger Vertrag oder wieder Franchise Tag?

Die Stimmen für einen langfristigen, hoch dotierten Vertrag wurden wegen seiner Leistungen immer lauter. “Washington wäre dämlich würden sie ihn nicht binden” gilt und galt als gemeiner Ton. Der Hype ist real. “Und wenn man wirklich so dämlich ist, Cousins zu vergraulen, wechselt er eben nach San Francisco oder nach Cleveland.” Das stand auch ziemlich lange auf der Agenda, Kyle Shanahan – Neo Head-Coach der 49ers wäre Cousins nicht abgeneigt gewesen. Dasselbe galt für den QB. Washington ist einem möglichen Trade fürs erste zuvorgekommen, man belegte Cousins wieder mit einem Franchise-Tag, wenn auch diesmal mit dem exklusiven.

Exklusive Franchise-Tags sieht man nicht alle Tage. Meistens verwenden Teams diese Option um kurze Zeit später einen langfristigen Deal mit dem Spieler zu verkünden, so etwa im vergangenen Jahr bei den Denver Broncos und Von Miller oder vor zwei Jahren bei den Dallas Cowboys und Dez Bryant. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass Washington und Cousins sich noch auf einen ordentlichen Vertrag einigen, wenn auch unwahrscheinlich. Dasselbe gilt für einen möglichen Wechsel Cousins: durch den exklusiven Tag muss jedes Team das Cousins verpflichten will zunächst mit dem Front Office der Redskins sprechen. Stand jetzt wird es bei dem Einjahresvertrag für knapp 24 Millionen Dollar bleiben. Bleibt die Frage: warum macht man das?

Die Vorgehensweise

Captain Kirk hat – rein von den Zahlen – wirklich alles dafür getan um einen langfristigen Vertrag zu bekommen, hat sich in seinem “Bestätigungs-Jahr” überall verbessert: Platz drei im Passing-Yards Ranking, Platz 13 im Touchdown-Ranking, Platz 15 bei den Interceptions. Dennoch darf man sich davon nicht täuschen lassen. Das Problem ist, Cousins befindet sich in einer Rookie-ähnlichen Situation, mit dem entscheidenen Unterschied, keinen langfristigen, relativ niedrig dotierten Vertrag in der Hinterhand zu haben. Heißt: er muss auch seine “Bestätigungs-Jahr” noch einmal bestätigen. Aus Sicht der Redskins ist das Risiko des Geldverlusts zu hoch, wenn die Leistung nicht mehr passt oder sich Cousins schwer verletzt. “Aber was soll er denn noch machen? 6000 Yards werfen? 40 Touchdowns?” Wir müssen die Frage vermutlich anders formulieren.

Wie definiert man einen Franchise-QB?

Die Causa Cousins erinnert ein wenig an jene von Jay Cutler: 2006 wählten die Denver Broncos Cutler an elfter Stelle des Drafts und wollten so die Weichen für die Zukunft stellen. Cutler startete in seinem ersten Jahr in fünf Spielen, übernahm in der zweiten Saison die Rolle als Starting-QB und zeigte ordentliche Leistungen (3.497 Yards, 20 TDs, 14 INT, 7-9 Record). Im darauffolgenden Jahr spielte er rein von den Stats her seine beste Saison seiner Karriere, konnte die Broncos aber nicht in die Playoffs führen (8-8 Record, 4.526 Passing-Yards, 25 TDs, 18 INTs). Den Chicago Bears reichte das als Bestätigung für deren Vertrauen in Cutler und man schnappte ihn sich für zwei Firstround- und einen Thrirdround-Pick. Mit neuem Team kam zunächst kein Erfolg (7-9 Record, Karrier-Höchstwert von 26 INTs), ehe er 2010 mit den Bears bis ins NFC Conference Finale einziehen konnte. Es sollte der größte Erfolg für ihn bleiben, ab diesem Zeitpunkt stagnierte oder verschlechterte er sich nur noch.

Warum das ganze Geschreibe über Cutler? Weil sich Cousins derzeit in jener Phase befindet, in der sich Cutler vor seinem Trade befand: Gute Leistungen, gute Stats, die Zukunft noch vor sich – ein Team dass ihm Vertrauen und einen langfristigen Monstervertrag gibt (zunächst fünf Jahre für 50 Millionen später, sieben Jahre für 126 Millionen Dollar – 54 Millionen garantiert). Cutler kam von den Broncos zu den Bears um der Franchise QB zu sein – aber nur weil man mit Geld zugeschüttet wird, ist man nicht das Gesicht der Franchise. Will sagen: Geld allein gewinnt keine Spiele. Und man muss auch nicht unendlich viel Geld verdienen um als Franchise-QB zu gelten.

Der aktuelle Kader der Washington Redskins, vor allem in der Offensive bei den Passfängern, ist sensationell aufgestellt: DeSean Jackson, Jordan Reed, Pierre Garcon, ja sogar Jamison Crowder sind unfassbare Waffen und – das ist der Punkt – Grund für Cousins Stats. Denn zu hundert Prozent in Szene setzen kann Cousins seine Mitspieler noch nicht. Weder im ersten noch im zweiten Jahr als Starter. Man nehme nur das Thanksgiving-Spiel gegen Dallas, das Cousins wegen seiner großen Schwäche – Ball Placement – nicht gewinnen konnte. Es sind die vielen Adjustments seiner Receiver die das Offensivspiel der Redskins tragen. Hart ausgedrückt: mit einem genaueren Quarterback kann diese Offensive zur “greatest show on turf” werden.

Man verlangt von einem Franchise QB, dass er sein Team führen kann, dass er das beste aus seinen Spielern herausholen kann. Es gab und gibt nicht wenige die Matthew Stafford vor der Saison untergehen haben sehen, weil Calvin Johnson nicht mehr zur Verfügung stand. Stafford mag zwar viele Baustellen haben, die Fähigkeit ein Team zu führen kann man ihm aber ob seiner gezeigten Leistung heuer nicht mehr absprechen. Auch deshalb wird es für Cousins spannend.

Denn mit DeSean Jackson und Pierre Garcon werden in der kommenden Woche gleich zwei essentielle Bausteine seiner Offensive Free Agents und kehren eventuell nicht mehr zum Team zurück. Verliert Cousins nur einen dieser beiden Spieler, muss er seine Mechanics deutlich verbessern, sonst wird das nichts mit dem Erfolg. Sein Arm ist zudem nicht der allerbeste.

Die Überlegung

Was hätte Washington anderes tun können, als Cousins zu taggen? Auf dem Free-Agent Markt ist keine bessere Option (Kaepernick wäre ein ähnliches Beispiel für einen gehypten Quarterback mit rapidem freien Fall), 24 Millionen Grundgehalt sind verkraftbar. Seine Teamkollegen sollen Cousins lieben, er gilt als hart arbeitender Spieler – alles perfekte Voraussetzungen für Erfolg. Aber man traut dem ganzen noch nicht ganz, zu frisch sind die Erkenntnisse die die Liga wieder einmal Dank Brock Osweiler gewonnen hat.

Cousins muss wie ein Rookie in seinen ersten Jahren liefern, der Fokus auf ihm und der Druck der auf ihm lastet ist enorm groß. Die Division ist mittlerweile eine der stärksten der NFL, das Erreichen der Playoffs für ihn aber überlebensnotwendig. So kann er die Kritiker verstummen lassen. Es geht letztendlich um Siege. Und die spielt er, trotz schöner Zahlen, noch zu wenig und zu selten ein.

Der Move der Redskins ist deshalb absolut smart, sollte man einen Offensiv-Schlüsselspieler verlieren, sieht man definitiv wie sich das auf Cousins’ Spiel auswirkt. Zum ersten Regular Season Spiel wird Cousins 29 Jahre alt sein – es wird die wichtigste Saison seines Lebens.

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