Miami Dolphins: im Schatten glänzender Vergangenheit

Alles auf Anfang

Wie immer wenn eine Franchise ihren Franchise-Player verliert, herrscht zunächst meist großes Chaos. Sofern man nicht für den nötigen Ersatz vorgesorgt hat. Die Dolphins hatten nach Marinos Rücktritt logischerweise eine Lücke auf der QB-Position. Füllen sollte diese ausgerechnet Jay Fiedler, der mit seinen Jaguars Marinos Karriere beendete. Head Coach wurde Dave Wannstedt, vormals Head Coach der Chicago Bears (man könnte eine Parallele zu den Dolphins 2016 ziehen). Vor allem Fiedlers Bestellung zum Starting-Quarterback war damals sehr umstritten: Fiedler gab in Jacksonville den Backup QB für Mark Brunell, während man in Miami schon einen geeigneten Nachfolger für Dan Marino parat hatte:Damon Huard. 1999, als Marino verletzungsbedingt für fünf Spiele ausfiel, übernahm der damals 26-Jährige das Team und führte es zu einer 4-1 Serie. Huard wurde am Ende der Saison mit einer Vertragsverlängerung belohnt, schaute aber sicherlich etwas dämlich, als man ihm Fiedler vor die Nase setzte. Funfact: Huard sollte 1999 nur ein Spiel starten – und dieses auch gewinnen – in der darauffolgenden Saison aber zu den New England Patriots wechseln um mit einem gewissen Tom Brady für die Backup-Position hinter Drew Bledsoe zu konkurrieren. Wir alle wissen wie diese Geschichte ausgegangen ist.

Obwohl die Erwartungen Miamis nach Marinos Rücktritt äußerst bescheiden waren, konnte man unter Wannstedt und mit Fiedler direkt in die Playoffs einziehen. Vor allem die starke Performance der Defensive um Jason Taylor, Veteran Trace Armstrong und Zach Thomas half Fiedler und seiner Offensive enorm weiter. Im Wildcard-Game warteten die Indianapolis Colts, die mit 23-17 nach Overtime geschlagen werden konnten. In den Divisional-Finals war dann gegen die Oakland Raiders Schluss, man wurde mit 27:0 vom Platz gefegt. Der Sieg gegen die Colts ist bis zum heutigen Tag der letzte Erfolg in der Postseason.

Die Ära Williams, Parcells, Tannehill

2001 erreichte man noch einmal die Playoffs, ein 11-5 Rekord stand am Ende zu Buche. Im Wildcard-Game verlor man aber gegen die Baltimore Ravens mit 20:3 und man verabschiedete sich für die nächsten sieben Jahre von den Playoffs. In dieser Zeit galt vor allem den weiter oben angesprochenen Defensive End Jason Taylor und Linebacker Zach Thomas die meiste Aufmerksamkeit. Taylor wurde 1997 in der dritten Runde gedrafted und sollte zu einem der besten Dolphins-Spieler der Geschichte werden. Zwischen 1999 und 2007 kam Taylor auf 117 Sacks, 40 Forced Fumbles, sieben Interceptions und 649 Tackles. Sechs mal Pro Bowl, drei mal All-Pro First Team, einmal NFL Defensive Player of the Year.

Zach Thomas spielte schon seit 1996 im Team und drückte, obwohl ein Fünftrundenpick, dem Spiel sofort seinen Stempel auf. Zwischen 1996 und 2007 kam Thomas auf sage und schreibe 1.626 kombinierte und 1.025 Solo Tackles. Sieben mal Pro Bowl, fünf mal All-Pro First Team. Natürlich wollte man diesen beiden Defensiv-Schlüsselspielern auch offensive Unterstützung zukommen lassen. Zur Saison 2002 verpflichtete man deshalb Ricky Williams von den New Orleans Saints.

Williams wurde an der fünften Stelle des NFL Drafts 1999 ausgewählt und galt und gilt bis heute als einer der besten Runningbacks der College-Geschichte. Bei den Saints rushte Williams in seinen ersten drei Jahren für 3.129 Yards und 16 Touchdowns. Kein Wunder also, dass die Dolphins für ihn gleich vier Draftpicks – darunter zwei Firstround-Picks – an New Orleans abgeben mussten. Bei den Dolphins sollte der Runningback sofort explodieren und in seinem ersten jahr für 1.853 Yards und 16 Touchdowns rushen. Auf Grund von Verletzungen von QB Fiedler und der schwachen Performance seines Backups Ray Lucas verpassten die ‘Fins das Playoff mit einem Record von 9-7. Man war sich aber sicher, endlich den nötigen Franchsie-Player in Williams gefunden zu haben und um ihn und Taylor-Thomas ein Team aufzubauen.

2003 lief es defensiv wieder hervorragend, offensiv hatte man aber vor allem Dank einer schwachen O-Line Probleme Williams in Szene zu setzen. QB Fiedler fiel wieder verletzungsbedingt aus und wurde von Brian Griese (dem Sohn des Hall of Famers Bob Griese) mit praktisch keinem Erfolg vertreten. Die Dolphins beendeten die Saison mit einem Record von 10-6, da Fiedler als er wieder übernahm die Spielzeit noch halbwegs retten konnte. Für die Postseason reichte es aber nicht.

2004 kam der große Schock. Nicht nur fielen einige Spieler wegen verschiedener Vergehen aus (Tight End Randy McMichael domestic violence, der neu getradete Receiver David Boston mit einer Verletzung und wegen eines positiven Drogentests), Ricky Williams verkündete aus heiterem Himmel seinen Rücktritt vom aktiven Sport. Wie sich erst später herausstellen sollte, wurde Williams ohnehin von der NFL wegen eines dritten positiven Drogentests (Marihuana) gesperrt und er fühlte sich von Trainer Wennstedt zu oft eingesetzt – sein Körper brauchte eine Pause. Mit diesen Vorzeichen kamen die Dolphins auf nur einen Sieg aus den ersten neun Spielen, was den Rücktritt von Head Coach Wennstedt zur Folge hatte. Unter Interims-Coach Jim Bates schloss man die Saison mit einem 4-12 Record ab. LSU-Coach Nick Saban trat die Nachfolge an.

Saban baute das Team rasch nach seinen Vorstellungen um. Auf der Quarterback-Position wurde Gus Frerotte von den Minnesota Vikings verpflichtet, er sollte sich gegen den zuvor getradeten A.J. Feeley durchsetzen. Im Draft sicherte man sich die Dienste von Runningback Ronnie Brown, der das Loch von Ricky Williams stopfen sollte. Dieser kehrte aber wieder überraschend zum Team zurück, stand aber die ersten vier Spiele auf Grund seiner Sperre nicht zur Verfügung. Mit diesem Backfield und der immer noch starken Defensive kam Miami in Sabans erster Saison auf einen Record von 9-7. Die Playoffs wurden abermals verpasst, dennoch gab man den Dolphins eine realistische Chance auf eine Super Bowl Teilnahme in den kommenden Jahren.

Zur Saison 2006 wurde Ricky Williams von der NFL für die gesamte Saison gesperrt, wieder fiel er durch einen Drogentest. Die Draftpicks Jason Allen (Safety) und Derek Hagan (Wide Receiver) konnten dem Team nicht wirklich weiterhelfen. Auf der Quarterback-Position sollte es zu einer folgenschweren Entscheidung kommen: nachdem man mit Gus Frerotte nicht wirklich zufrieden war, schaute man sich für einen anderen Spielmacher um und stieß auf die Namen Drew Brees und Daunte Culpepper. Brees verletzte sich 2005 an der Schulter und wurde von den San Diego Chargers anderen Teams zu einem Trade angeboten. Weil man sich in Miami nicht wirklich sicher war, ob Brees gesundheitlich voll einsatzfähig ist, tradete man Culpepper zu den Dolphins. Brees ging nach New Orleans und sollte einer der besten Quarterbacks der Geschichte der NFL werden. Culpepper verletzte sich aber früh in der Saison und so war der Weg frei, für den von den Detroit Lions verpflichteten Joey Harrington. Dieser spielte mit unter recht ordentliche Partien, zeigte aber auch katastrophale Leistungen und wurde schlussendlich gegen Cleo Lemon getauscht. Mit diesen drei Quarterbacks reichte es trotz einer starken Saison von Ronnie Brown (1.008 Yards) nur zu einem 6-10 Record. Nach der Saison sollte Saban einen Achtjahresvertrag an der Universität von Alabama unterschreiben und zu einem der besten College-Football-Coaches werden. Cam Cameron, Offensive Coordinator der San Diego Chargers, übernahm für ihn.

2007 waren die Dolphins drauf und dran wieder Geschichte zuschreiben, als man die ersten 13 Spiele in Folge verlor und somit fast das Kunststück geschafft hätte, alle Spiele der Saison zu verlieren (ein Jahr später sollte das den Detroit Lions gelingen). Unter Cameron kam es wieder zu einem Wechsel auf der Quarterback Position: im Draft wählte man in der zweiten Runde Quarterback John Beck, von den Kansas City Chiefs holte man Trent Green, während man mit Cleo Lemon gleichzeitig verlängerte. Den Starting-Job sollte Veteran Green für sich entscheiden, nur um nach wenigen Wochen mit einer Gehirnerschütterung endgültig auszufallen. Lemon übernahm und verlor ebenfalls jedes seiner Spiele. Ab Woche 11 vertraute Coach Cameron auf Beck, der genauso wenig Erfolg hatte und für Lemon in Woche 15 Platz machen musste. Unter Lemon konnte man den einzigen Saisonsieg gegen die Baltimore Ravens (in Overtime) feiern. 1-15 am Ende der Saison, Miami hatte zum zweiten mal in der Geschichte den Overall-Firstround-Pick (1966 hatte man diesen auch, auf Grund der Neugründung). Das desaströse Abschneiden hatte natürlich weitgehende Folgen: man verpflichtete Bill Parcells (zuvor zweimaliger Super Bowl Sieger als Head Coach mit den New York Giants) als Vize-Präsidenten, der es sich nicht nehmen ließ, Cameron und den gesamten Trainerstab zu entlassen. Zusätzlich trennte man sich von den Ikonen Jason Taylor und Zach Thomas. Im Februar 2008 kaufte der Immobilienmogul Stephen Ross die Dolphins und das Stadion für knapp 1.1 Milliarden Dollar und hält seitdem 95% des Teams.

Parcells bestellte seinen ehemaligen Assistenten Tony Sparano als Head Coach, im Draft 2008 wählte man Tackle Jake Long an erster Stelle. Ein damals wie heute eher unüblicher Zug, schließlich rechneten viele damit, sich Matt Ryan als Franchsie-Quarterback zu sichern. In der zweiten Runde wählte man mit Chad Henne dann aber doch noch einen Quarterback, dieser sollte aber noch nicht zum Einsatz kommen, da man von den von den New York Jets entlassenen Chad Pennington nach Florida holte (Pennington wurde 2000 von Parcells zu den Jets geholt, über ihn gebe es noch viel zu schreiben). Mit ihm und ihren beiden Star-Runningbacks Williams und Brown konnten die Dolphins nach einem 0-2 Start die Saison mit einem Record von 11-5 und dem Titel in der AFC East beenden (Tom Brady stand den New England Patriots auf Grund einer Verletzung nicht zur Verfügung). Noch nie schaffte es eine Mannschaft nach einer Saison mit nur einem Sieg, die folgende mit solch einer Bilanz zu schließen. In den Playoffs schied man allerdings schon in der ersten Runde gegen die Baltimore Ravens aus.

Dolphins QBs nach Marino (Anzahl der Spiele)

2009 wurden die Erwartungen rasch gedämpft, als sich Pennington nach zwei Niederlagen an der Schulter verletzte und für die restliche Saison ausfiel. Henne übernahm für ihn und führte das Team zu sieben Siegen bei neun Niederlagen. Miami wurde durch eine Fußverletzung von Ronnie Brown zunächst auch geschwächt, nur um Ricky Williams wieder als Starting-Runningback zu bestimmen: Williams spielte 2009 mit 1.121 Yards seine beste NFL Saison.

2010 kam es wieder zu mehreren Umbrüchen: mit den Verpflichtungen von Wide Receiver Brandon Marshall und Linebacker Karlos Dansby wollte man wieder ein Wörtchen um die Playoffs mitreden. Quarterback bleib Chad Henne, Ronnie Brown kehrte wieder zum Team zurück. Bill Parcells trat im September 2010 von seiner Funktion als Vize-Präsident zurück. Im Draft holte man sich Defensive End Jared Odrick, der sich aber früh verletzte und die gesamte Saison verpasste. Obwohl man mit zwei Siegen in die Saison startete, schloss man sie am Ende wieder mit einem Record von 7-9 ab. Sparano drohte entlassen zu werden, als Gerüchte die Runde machten, die Dolphins wollen Jim Harbaugh als Head Coach engagieren. Tatsächlich traf sich Harbaugh mit Owner Stephen Ross, es kam aber zu keiner Einigung und Sparano unterschrieb einen neuen Zwei-Jahresvertrag. Für Ricky Williams war es die letzte Saison als Dolphin, er wechselte zu den Baltimore Ravens. Ronnie Brown wurde ebenfalls abgegeben, er wechselte zu den Philadelphia Eagles. An ihre Stelle sollte Reggie Bush treten.

Chad Henne war vor allem bei den Fans äußerst umstritten, blieb 2011 aber Starting-Quarterback (tatsächlich sehnten sich viele Anhänger der Dolphins nach Kyle Orton, der zuvor zusammen mit Bradon Marshall bei den Denver Broncos spielte). Mit Mike Pouncey holte man sich einen Center in der ersten Runde des Drafts, der Henning beschützen sollte. Das gelang ihm die meiste Zeit auch wirklich gut, allerdings fiel Henne in der vierten Woche mit einer Gehirnerschütterung aus. Matt Moore, zuvor von den Carolina Panthers geholt, spielte daraufhin die restlichen Partien der Dolphins, erreichte aber nur einen Rekord von 6-10 (die Dolphins starteten mit Henne 0-4 in die Saison). Während der Saison trennte man sich von Sparano, der einen legendären Moment lieferte, als er die Schiedsrichter nach einem nichtgegeben Touchdown anflehte, doch noch einem genau nachzusehen, da er sonst entlassen werden würde. An seiner Stelle übernahm Todd Bowles interimistisch.

Es blieb weiterhin unruhig. Fans protestierten gegen General Manager Ireland, Owner Ross vertraute ihm aber weiterhin. Man könnte die Offseason 2012 auch als Sommer der verpassten Wünsche bezeichnen: zunächst gab Wunschtrainer Jeff Fisher den Dolphins einen Korb (er wechselte zu den St. Louis Rams), nur um später noch Absagen der Quarterbacks Peyton Manning, Alex Smith und Matt Flynn zu erhalten. Als Head Coach engagierte man schließlich Joe Philbin von den Green Bay Packers, als Quarterback holte man sich Ryan Tannehill in der ersten Runde des NFL Drafts 2012. Nachdem sich der zuvor frisch verpflichtete QB David Garrard verletzte, wurde Tannehill sofort zum Starting-QB ernannt. In ihm sollte endlich der lang ersehnte Franchise-Quarterback gefunden werden, jedoch zeigt er gerne seine zwei Gesichter: zwischen Genie und Wahnsinn. Im Debüt war er überfordert, warf drei Interceptions ohne TD, nur um kurz darauf Rookie-Franchise-Rekorde zu brechen. Die Saison ging mit einem Record von 7-9 zu Ende.

In den kommenden Jahren wurde das Team wieder mehrfach umgebaut. Die Stützen Long und Sean Smith verließen das Team, es wurden immer wieder neue Spieler angeheuert, die aber auch nicht für Erfolg sorgen konnten. So wurden die Jahre 2013 und 2014 mit einem ausgeglichenen 8-8 Record beendet. Zur Saison 2014 kam es zur Entlassung von General Manager Ireland, für ihn übernahm Dennis Hickey.

2015 sollte die Bestellung von Mike Tannenbaum zum Vize-Präsidenten erfolgen. Tannenbaum, vormals GM der New York Jets, vertraut weiterhin auf Hickey als GM, dürfte aber dennoch selbst das Sagen über den Kader haben. Im März des vergangenen Jahres kam es dann zu einem Megadeal: Ndamukong Suh, Defensive Tackle der Detroit Lions, wurde verpflichtet und mit einem Rekord-114 Millionen Dollar-6-Jahres-Vertrag (60 Millionen garantiert) ausgestattet. Ryan Tannehill bekam ebenfalls einen neuen, 96 Millionen (50 Mio garantiert) Vertrag über fünf Jahre. Wirklich erfolgreich war das auch nicht, die Saison beendete man mit einer negativen 6-10 Bilanz. Für Philbin sollte es das gewesen sein, Adam Gase, Offensive Coordinator versucht seitdem die Dolphins zu einstigen Höhenflügen zu bewegen.

Wie geht’s jetzt weiter?

Miami schaut jedes Jahr in der Offseason stark aus. Namhafte Spieler werden verpflichtet, nur um dann doch nicht das zu zeigen, was man sich von ihnen erwartet. Gase muss Tannehill endlich brauchbar Konstanz einflüstern oder den Spielstil ändern. Seitdem Jay Ajayi laufen darf, gewinnen die Dolphins auch Spiele, man ist nicht mehr ausschließlich auf das Pass-Spiel angewiesen. Die Receiver sind mitunter das stärkste was die Liga zu bieten hat. Laremy Tunsil ist schon jetzt ein enormer Gewinn für die O-Line. Prinzipiell gilt aber: in Zeiten Tom Bradys hat man in der AFC East quasi keine Chance auf den Divisiontitel. Die Mannschaft ist halbgar und einige müssen sich die Frage stellen: ist Ryan Tannehill derjenige, dem man weiterhin vertrauen will? Die Geschichte zeigt uns, wie schwierig es ist einen Franchise-QB zu finden bzw. wie viel schwieriger es ist, Saisonen ohne Franchise-QB zu spielen. Das Potential für mehr als 8-8 ist eigentlich schon vorhanden – wenn man die Defensive ausbaut.

Die Miami Dolphins sind und bleiben eine der prestigeträchtigsten Franchises der Geschichte. Mit einem ziemlich langen Durchhänger.

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