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Nerdecke #1: Reggie Bush und die New Orleans Saints 2006

Mit dem Wechsel von Reggie Bush zu den Buffalo Bills wird hier auch gleichzeitig eine neue Rubrik eingeführt: die Nerdecke. Ein Platz zum Austoben, zum Austauschen von vermeintlich unnötigen Geschichten über Spieler, Spiele oder Kuriositäten. Hier kann es mitunter auch etwas länger werden!

Den Beginn macht Reggie Bush. Warum gerade er? Wie schon im Offseason-Report der New Orleans Saints erwähnt, gäbe es diesen Blog ohne die Saints bzw. einige Spieler nicht. Ganz einfach, weil ich durch einzelne Spieler überhaupt erst zu dieser Sportart gekommen bin. Reggie Bush ist einer von denen, einer, der mich gepackt hat und mir gezeigt hat: Football ist mehr als nur warten und hartes Tackling.

Wo Bush draufsteht, ist Spektakel nicht weit. Immer noch wird der mittlerweile 31-jährige Runningback von vielen als bester College RB der Geschichte bezeichnet. Bush spielte zwischen 2003 und 2005 für die USC (University Of Southern California) Trojans, einem Team, dass von Pete Carroll gecoacht wurde. Bush fand sich sofort im Team ein und wurde multifunktionell eingesetzt: er lief mit dem Ball, wurde oft als Passfänger eingesetzt, warf sogar – wenn auch nur selten – den Ball und zeigte seine Fähigkeiten in den Special Teams. Die Einberufung ins Freshman Team des Jahres 2003 war die Folge. Insgesamt kam er in seinem ersten College Jahr auf 1.331 Total Yards (521 rush, 314 rec, 492 ret) und acht Touchdowns, was einen neuen USC-Rekord bedeutete.

2004 sollte noch besser werden als das Vorjahr, wieder stellte Bush unglaubliche Zahlen auf, kam auf insgesamt 2.330 Total Yards. Auf dem Feld war er quasi überall, kein Wunder, dass er als Heisman-Trophy-Anwärter (Auszeichnung für den besten College Spieler) gesehen wurde. Diese Trophäe gewann in diesem Jahr sein USC Teamkollege und Quarterback Matt Leinhart. Die Trojans gewannen in diesem Jahr auch die Orange Bowl, was damals gleichbedeutend mit der College Meisterschaft war.

2005 stellte Bush alles und jeden in den Schatten. 2.890 Total Yards sollten es am Ende der Saison für Bush sein, im Schnitt rushte er für 133 Yards. Die Heisman Trophy war die logische Konsequenz, Bush konnte im Alleingang ganze Defensiven zerstören. Obwohl der Runningback in nur 14 von 39 Spielen als Starter eingesetzt wurde, kam er auf insgesamt 6.541 Total Yards und war somit einer der produktivsten Spieler der letzten Dekaden. Logischerweise war er DER Favorit auf den ersten Pick des NFL Drafts 2006.

Das Ende seiner College-Karriere bildete das Rose Bowl Spiel gegen die Texas Longhorns. Mittlerweile ein Klassiker, gelang es dem ersten Heisman-Trophy Paar in einem Team (QB Leinhart und Bush) nicht, die Texaner rund um Vince Young zu stoppen. Wer das Spiel nicht gesehen hat: unbedingt ansehen. Allein über dieses Spiel könnte man Seiten füllen. Bush hatte in diesem Spiel definitiv seine Momente, kam auf insgesamt 279 Total Yards und einem Touchdown, blieb aber vor allem wegen eines missglückten Lateral-Passes in Erinnerung.

Um zu verstehen, warum man um Bush so einen Hype generierte, reicht es, sich ein Highlight-Video anzusehen. Der Hype war real und auch gerechtfertigt. Selten begeisterte ein Spieler so sehr die Massen:

Angekommen in der NFL

Charley Casserly beginnt immer zu lächeln wenn man ihn auf den NFL Draft 2006 anspricht. Entgegen aller Annahmen entschied sich der damalige General Manager der Houston Texans gegen Reggie Bush und auch gegen den texanischen Lokal-Hero Vince Young. Mit dem ersten Pick wählten die Texans Defensive End Mario Williams. Die Nachricht kam einen Tag vor dem eigentlichen Draft an die Öffentlichkeit, die die Fans der Texans dezent wütend reagieren ließ. Auch Analysten bezeichneten die Wahl Williams über Bush als einen der größten Fehler in der NFL Draft-Geschichte. Casserly ließ sich davon nicht beeindrucken und wählte den Defensivspieler von der Universität von North Carolina: “Wenn du richtig liegst, stimmt der jeder zu. Liegst du falsch, bist du ein Idiot und alle anderen haben es besser gewusst. Wir benötigten auf dieser Position dringend eine Verstärkung und die sahen wir in Williams”. Williams sollte schnell zu einem der besten Pass Rusher der Liga werden, Pro Bowl und All-Pro Einberufungen folgten.

An zweiter Stelle wählten die New Orleans Saints, ein Team dass zuvor gar nicht mehr in New Orleans spielen sollte. Jahrzehntelange Erfolglosigkeit und ein Streit um ein neues Stadion ließ das Team fast aus Big Easy abziehen. Schnell brachten sich San Antonio und Los Angeles als potenzielle Standorte ins Gespräch, ehe ein dramatisches Unglück die Saints in der Stadt ließ: Hurricane Katrina. Während der Umweltkatastrophe diente der Super Dome der Saints den Einwohnern der Stadt als Unterkunft, wo alle Häuser zusammenbrachen, stand das Stadion dem Unwetter stand. Die Saints konnten in der Saison 2005 kein Heimspiel bestreiten, trainierten die gesamte Spielzeit in San Antonio und pendelten zwischen dem Tigers Stadium (Heimstätte der University auf Louisiana) und dem 130 km weit entfernten Baton Rouge. Am Ende der Saison stand eine 3-13 Bilanz zu Buche, Head Coach Jim Haslett wurde durch Sean Payton ersetzt. Mit ihm kam auch ein gewisser Drew Brees nach New Orleans um dort einer der besten Quarterbacks aller Zeiten zu werden. Für den letzten Schliff in der Offensive sollte Reggie Bush sorgen. Die Saints nahmen die Chance wahr und drafteten die Runningback-Hoffnung an zweiter Stelle. Die Massen waren begeistert, Bush schien über die Entscheidung froh.

Um sich über die Dimension das Bush-Hypes an Bild zu machen, genügt es einige Tage vor den Draft zu blicken. Adidas statte Bush mit einem langjährigen Vertrag aus. Schon in seiner Rookie Saison war Bush hinter Peyton Manning Topverdiener was Werbeverträge anbelangte, fünf Millionen Dollar sollte er in seinem ersten Jahr zusätzlich einnehmen. Die Community in Louisiana tat es Bush an und er spendete immer wieder höhere Beträge an Opfer der Hurricane-Katastrophe.

Auf dem Feld lief es für die Saints und Bush deutlich besser: Bush konnte in seinem ersten NFL-Spiel 141 Yards erzielen, die Saints gewannen 19:14. Nach einem Sieg auswärts gegen die Green Bay Packers sollte endlich die langersehnte Rückkehr in den Super Dome folgen. Und die hatte es in sich. Gerade einmal vier Spielzüge dauerte es, bis Saints Safety Steve Gleason mit einem geblockten Punt die Fans jubeln ließ:

Ein Feuerwerk sollte folgen, die Saints gingen auf 3-0 zum Beginn der Saison. Am Ende der Regular Season gewannen die Saints mit 10-6 überraschend die NFC South und zogen in die Playoffs ein. Ein ganzes Land war euphorisiert, die Geschichte New Orleans und die der Saints eroberte die Herzen der Massen. Bush kam in seiner Rookie Saison auf 565 Rushing Yards und 742 Receiving Yards bei sechs bzw. zwei Touchdowns. Mit 216 Return Yards und einem Touchdown legte er eine ordentlich erste Saison hin, zumal er hinter Deuce McAllister zweiter Runningback war.

In den Playoffs konnte man eine Bye-Week im Wildcard Game genießen, ehe man die Philadelphia Eagles zu Gast hatte und diese mit 27-24 knapp besiegte. McAllister und Bush spielten groß auf, ersterer kam auf 143 Rushing Yards und einen Rushing, sowie Receiving Touchdown. Bush konnte ebenfalls einen TD beisteuern. Es sollte zum NFC Championship Game kommen, zu jenem Spiel, das also mein erstes vollständiges-live gesehenes Footballspiel werden sollte.

Damals kam man nicht in den Genuss, jede Woche mindestens ein Footballspiel im Free-Tv zu sehen, jedoch hatte der ORF und insbesondere Kommentator Christopher D. Ryan großes Interesse an der NFL. Am Sport-Spartensender also das erste mal Saints, auswärts am Soldier Field gegen Brian Urlacher, Rex Grosman, Devin Hester und Lovie Smith. Auch wenn die Saints das Spiel verloren, zeigte Bush seine ganze Klasse:

Im Anschluss an dieses Spiel lief das vielleicht beste, das ich jemals gesehen habe. Aber dazu bräuchte es einen eigenen Text.

Bush sollte noch vier Jahre bei den Saints spielen, mit ihnen einen Super Bowl gewinnen, aber niemals die hohen Erwartungen erfüllen, die in ihn gesteckt wurden. Als dualer Spieler oft verletzt kam er in zehn Jahren NFL auf 5.493 Rushing Yards (35 TDs) und 3.508 Receiving Yards (18 TDs). Nie kam der College Superstar in einen Pro Bowl. Aber dafür in eine Werbung mit David Beckham.

Viele behaupten das Übel hätte mit Kim Kardashian angefangen. Wie schon bei Tony Romo und Jessica Simposon in Dallas, waren einige Fans alles andere als begeistert über das Techtelmechtel zwischen Bush und Kardashian. Das dürfte allerdings nichts mit dem schon am College begangenen Skandal zu tun gehabt haben: 2010 gab er als bisher einziger Heisman-Trophy Winner seine Trophäe zurück: Bush hatte schon im College die satte Summe von 290.000 Dollar angenommen, ein absolutes No-Go, mehr noch, eine ernsthaftes Vergehen! Neben Bush war Basketball-Star O.J. Mayo ebenfalls in illegale Zahlungen involviert. Die Trojans wurden drakonisch bestraft, beide Championship-Siege von 2004 und 2005 wurden aberkannt, man durfte in den Jahren 2011 & 2012 an keinem Endspiel mehr teilnehmen und außerdem mit besonderen Auflagen Spieler aus den Highschools rekrutieren.

Bush sollte nach den Saints zu den Dolphins kommen, wo er statistisch gesehen seine besten Jahre hatte (1.086 Yards & 986 Yards). Nach zwei Jahren war aber auch hier Schluss und er landete in Detroit bei den Lions. Auch hier folgte auf eine Saison mit über 1.000 Yards eine von Verletzungen geplagte. Am Ende der Saison 2014 sollte Bush in Richtung San Francisco abmarschieren. Endlich in Kalifornien daheim, wars nur ein kurzes Gastspiel. Bush verletzte sich in Spiel fünf gegen die St.Louis Rams am Kreuzband und fiel rund die Hälfte der Saison aus. Gestern ging es zu den Buffalo Bills, wo er die Rolle von Karlos Williams in den ersten vier Spielen übernehmen dürfte.