NFL Draft Scouting Report: Mitch Trubisky, QB

Die Quarterback-Klasse des diesjährigen NFL Drafts ist ausgeglichener denn je. Es kristallisieren sich nach und nach Favoriten heraus, wer jetzt der beste QB der College-Spielmacher ist, wird sich vermutlich erst im Laufe des Jahres zeigen. Schon vor dem NFL Combine (28. Februar bis 6. März) gibt es auf senfl.at die ersten Spieler-Profile. Hier ein genauerer Blick auf Mitch Trubisky, QB, North Carolina.

Allgemeines:

Geburtsdatum: 20. August 1994

Größe: 1.91 Meter

Gewicht: 100 Kilogramm

Klasse: Redshirt Junior

Starter seit: 2016

Erfolge: 

  • Third Team All-ACC (2016)

Verletzungen: 

Spiel am College:

Trubisky schloss sich 2013 der Universität von North Carolina, als amtierender Mr. Football von Ohio an, wo er das erste Jahr zunächst nicht spielen sollte (redshirt). Die darauffolgenden Jahre liefen für den jungen Quarterback nicht unbedingt besser, musste er sich doch mit der Backup-Rolle hinter Marquise Williams zufrieden geben. Erst als Williams zur Saison 2016 das College verließ, durfte Trubisky zeigen was in ihm steckt.

Und was soll man sagen? Er hinterließ bleibenden Eindruck. In 13 Spielen kam Trubisky auf 3.748 Passing Yards, 30 Touchdowns bei sechs Interceptions und eine Completion-Rate von 68,2%. Über das Laufspiel konnte er noch zusätzliche 308 Yards und fünf Touchdowns beisteuern und er brachte sein Team auf einen Record von sieben Siege und sechs Niederlagen. Das ist alles was wir von ihm kennen. Ein Jahr Erfahrung als Starting-QB am College. Deshalb müssen wir hier über viele Dinge (anders) reden.

Stärken:

Genauigkeit. Trubisky kann den Ball bei seinen Mitspielern anbringen. Vor allem auf kurze und mittellange Distanzen überzeugt er mit punktgenauen Pässen. Es gab wenig Situationen, in denen Trubisky den Ball eher zum Gegner denn zum Mitspieler geworfen hat. Sein Arm ist entgegen einigen Annahmen wirklich brauchbar, er kann dem Ball die nötige Tiefe geben.

Entscheidungen. Trubsiky trifft nahezu immer die richtige Entscheidung, ein Blick auf seine Touchdown-Interceptions-Ratio reicht in dem Fall sogar aus, um das zu untermauern. Er wirft denn Ball nur dann, wenn er sich sicher ist, dass der Ball auch ankommt.

Mobilität. Auch er gehört zu den Quarterbacks die im Zweifel zu Fuß für Raumgewinn sorgen können. Zwar steht er hier Deshaun Watson und DeShone Kizer etwas hinterher, dennoch ist Trubisky ein guter Läufer. Zudem kann er den Ball auch sehr gut während des Laufens bei seinen Passfängern anbringen (vor allem vor der gegnerischen Endzone hat er das unter Beweis gestellt).

Selbstvertrauen. Nervenstärke gehört auch ins Repertoire von Trubisky. Gegen Pittsburgh beispielsweise befand sich sein Team mit vier Minuten Restzeit 13 Punkte im Rückstand. Er konnte seine Offensive anführen, es wurden vier vierte Versuche via Pass ausgespielt, alle gingen auf – am Ende ging er als Sieger vom Platz.

Schwächen:

Beständigkeit. Wie auch DeShone Kizer mangelt es bei Trubisky mit unter an der Beständigkeit. Natürlich hat jeder Spieler schlechte Tage, so auch Trubisky. Hat er Probleme mit der Genauigkeit seiner Pässe, so wirkt sich das logischerweise auch auf seine Beständigkeit aus und man bekommt den Eindruck, dass er nicht ins Spiel findet.

Auftritt in der Pocket. Obwohl er Druck relativ schnell sieht kann Trubisky nicht unbedingt mit ihm umgehen. Er wählt meistens den Ausweg über den Lauf, sei es dass er selbst versucht noch Raumgewinn zu erzielen, oder dass er aus der Pocket herausläuft und mit Spin-Moves versucht noch das schlimmste zu verhindern. Im College kann das funktionieren, in der NFL eher nicht.

Tiefe Bälle gehören nicht zu seiner Stärke, dort muss er sich noch verstärken. Zwar stimmt die Richtung (im Gegensatz zu DeShaun Watson), dennoch sind die Bälle meistens schwerer für den Receiver zu fangen, da sie nicht so punktgenau kommen wie bei kurzen Distanzen. Das liegt an seiner Mechanik, die nicht immer voll am Punkt ist.

Erinnert an:

Hier sind wir beim eigentlichen Problem: mit wem und wie soll man Trubisky vergleichen? Man könnte ihn wegen seiner Fähigkeiten mit Andy Dalton vergleichen. Man könnte ihn aber auch mit Akili Smith vergleichen. Smith wurde 1999 von den Cincinnati Bengals an dritter Stelle des NFL Drafts gewählt und konnte zu diesem Zeitpunkt wie Trubisky nur auf ein Jahr College-Starting-Zeit zurückblicken. Ähnlich wie Trubisky überzeugte er an der Universität von Oregon. Man ging aufs Ganze – Smith sollte zwischen 1999 und 2003 insgesamt 17 Spiele in der NFL starten nur um dann von Practice-Squad zu Practice-Squad und schließlich in die NFL Europe (Frankfurt Galaxy) abgeschoben zu werden. Ebenso könnte man Cam Newton ins Spiel bringen, der schlussendlich auch nur ein Jahr auf höchstem College-Niveau Football spielte.

Trubisky ist derzeit der fleischgewordene Boom-or-Bust-Kandidat, die Chancen stehen wirklich 50-50%. Für ihn spricht, dass er dieses Jahr wirklich überzeugen konnte, er war der Leader seiner Offensive und traute sich und seinen Teamkollegen alles nötige und wichtige zu. Sein Spiel ist wirklich sehr gut, gerade deshalb tauchen sehr viele Fragen auf:

Wie kann es sein, dass er Marquise Williams nicht von der Starting-Position verdrängen konnte?

2014 gab es einen offenen Wettkampf zwischen Williams und Trubisky, den Williams vermutlich wegen seiner Erfahrung für sich entscheiden konnte. Williams sprang zuvor schon des Öfteren für den damaligen Starter Bryn Renner ein und machte seine Sache gut. Trubisky kam aber in einem zwei-Quarterback-System dennoch immer wieder zum Einsatz, wenn auch nicht als Starter.

Warum ist es so wichtig, mehr als ein Jahr Starter-Erfahrung zu haben?

Lange Zeit galt in der NFL praktisch das Credo des ehemaligen New York Giants Head Coaches Bill Parcells. Demzufolge muss ein Quarterback aus dem College

  • ein Senior sein (also im letzten College-Jahr), da man Zeit und Reife benötigt um ein guter NFL-QB zu werden.
  • sein Studium abgeschlossen haben, da man jemanden haben will der auch verantwortungsvoll ist.
  • mindestens drei Jahre Starter sein, da man sich nur so absichern kann, dass etwaiger Erfolg auch keine Eintagsfliege ist.
  • mindestens 23 Siege verzeichnet haben, da die Zahlen (Passing-Yards, Touchdowns) auch mit Siegen unterlegt werden sollen.

All diese Kriterien erfüllt Trubisky nicht. Muss er auch nicht mehr, da sich die NFL mittlerweile gewandelt hat. Auch wenn es vor einem Jahrzehnt noch unüblich war einen Junior oder gar einen Redshirt Sophomore auszuwählen, so ist das nun anders. Jameis Winston und Marcus Mariota wären jüngere Beispiele dafür, oder aber auch Johnny Manziel. Dennoch sind nicht wenige Coaches und General Manager vorsichtig, wenn es um junge QBs geht.

Warum spielt er nicht einfach noch ein Jahr am College?

Ganz einfach: Geld. Trubisky hat sich in die Diskussion um den besten QB der diesjährigen Draft-Klasse gespielt, er kann also damit rechnen, dass er mit ziemlich viel Geld (da früh gepickt) entlohnt wird. Das kann man ihm nicht wirklich Übel nehmen, wenn auch für alle anderen Beteiligten ein weiteres Jahr an der Universität sicherlich nicht von Nachtteil wäre, da man so zu mehr Gewissheit kommt.

Aber wenn er noch ein Jahr dranhängen würde, wäre er dann nicht ohnehin #1-Pick und würde noch mehr verdienen?

Diesen Ansatz verfolgte seinerzeit Matt Barkley, derzeit dritter QB der Chicago Bears. Barkley galt als einer der besten Spielmacher am College, wurde von vielen als Erstrunden-Pick des Drafts 2012 angesehen. Barkley spielte an der Universität von South California (USC), die wegen mehrerer Verstöße gegen die College-Football-Regeln von Bowl-Games ausgeschlossen wurden. Zur Saison 2012 war die Strafe abgesessen, Barkley entschied sich deshalb noch sein Senior-Jahr am College zu spielen um mit seinem Team die Meisterschaft zu gewinnen. Noch vor Start der Saison wurde er als definitiver #1-Pick im Draft 2013 angesehen, nur um dann im Laufe der Saison weiter und weiter zu fallen: ein schwaches Team und eine Schulterverletzung ließen ihn in die vierte Runde fallen, nur Dank Verletzungen seiner beiden Teamkollegen (Cutler und Hoyer) kam er heuer bei den Bears zum Einsatz.

Diesem Schicksal will Trubisky natürlich auch vorbeugen.

Sind die Zahlen wirklich so gut wie sie aussehen?

Die Completion-Rate (68,2%) und die Touchdown-Interception-Ratio(30-6) von Trubisky lassen darauf schließen, dass der Mann weiß, was er tut. Das kann man im großen und ganzen zumindest für die Ratio stehen lassen, die Completion lebt auch vom Playbook seiner Offensive: Trubisky hat unzählige Screen-Pässe auf seine Mitspieler geworfen (hauptsächlich auf Ryan Switzer) die anschließend enorm viele Yards nach Passempfang verzeichnen konnten. Natürlich, Trubisky wusste wie man seine Mitspieler erfolgreich einsetzt, dennoch täuschen die Zahlen von diesem Screen-Pass-lastigen-Playbook etwas hinweg.

Auch stand ihm und seinem Team nicht unbedingt die Creme-de-la-Creme an Gegnern gegenüber. Oft hatte er es mit schwachen Defensiven zu tun, die er dann aber auch gründlich versohlen konnte (einzige wirkliche Ausnahme ist das Spiel gegen Virgina Tech).

Dennoch: Trubisky überzeugte im Grunde genommen auf volle Linie, er machte seinen Job sehr gut. Wenn man bedenkt, dass er keinerlei Starting-Erfahrung oder Leadership-Qualitäten vor der Saison besaß, dann hat er wirklich eine enorme und vor allem schnelle Entwicklung durchlebt. Jetzt gilt es herauszufinden, ob er die nächsten Schritte ebenfalls so schnell umsetzen und erlernen kann. Bleibt noch die Frage:

Wo zieht es den jungen Mann hin?

Es wäre ja fast schon zu kitschig, wenn Trubisky bei seinem Lieblingsteam spielen würde. Das sind allerdings die Cleveland Browns und wir wissen ja, wie das mit den QBs in Ohio ist.

Fazit:

Wie soll man ihn nun einschätzen? Die QB-Klasse ist durchwachsen – dem Vernehmen nach sehen viele NFL-General-Manager in Trubisky einen Top “2 or 3 guy” (overall). Er könnte also wirklich zu einem Franchise-QB mutieren. Könnte ist dabei die richtige Zeitform, denn mehr wie ein Jahr College-Football kennen wir nicht. Die Meinungen über ihn gehen auseinander, zumal man noch nicht sicher ist, wie groß er tatsächlich ist (es gibt Berichte worüber Trubisky nicht auf die angegebenen 6’3” kommt), beim Combine wird sich das herausstellen.

All das sind Faktoren für ein großartiges Pokerspiel der Teams die einen QB benötigen. Denn wie bei einer Versteigerung gibt es jeden Gegenstand nur einmal, nur dass in diesem Fall Menschen auf dem Markt stehen. Trubisky kann man sicherlich zu etwas größerem Schleifen, die Frage liegt jetzt nur noch am Preis. Vermutlich geht er zwischen #2 und #12.

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