NFL Draft: Warum man niemals einen Runningback in Runde 1 ziehen sollte

Vor dem tatsächlichen NFL-Draft muss man sich die Zeit vertreiben. Viele Mock Drafts werden erstellt – auch hier auf dieser Seite. Mit Saquon Barkley steht in diesem Jahr ein absoluter Top-Runningback zur Verfügung, der gerne als Top-5 – oder manchmal sogar Overall #1 Pick – angesehen wird. Warum es ein Fehler ist einen Runningback in der ersten Draft-Runde zu picken, soll im Folgenden geklärt werden:

Gleich zu Beginn möchte ich noch festhalten, dass ich großer Fan von Runningbacks bin, insbesondere von aggressiven Spielertypen, die man nicht einfach zu Boden reißen kann und die mit ihren Gegenspielern noch sehr viele Meter machen können.

Wie ist das mit dem Wert?

“Man muss Barkley früh nehmen, er ist ein unfassbares Talent, vermutlich das größte seiner Generation”. Diesen und ähnliche Sätze hört man immer wieder und man wird nicht müde es zu wiederholen. Blickt man ein Jahr zurück, hörte man denselben Satz im Bezug auf Leonard Fournette. Schaut man noch ein Jahr weiter nach hinten, hörte man denselben Satz über Ezekiel Elliott. Und im Jahr davor über Todd Gurley. Und davor über den gescheiterten Trent Richardson. Der Verdacht liegt also nahe, dass man mit “Generation” einfach den besten College-Runningback der vergangenen ein bis zwei Jahre meint.

Runningbacks sind in der NFL natürlich wichtig. Man benötigt ein solides Laufspiel um zumindest nicht eindimensional zu spielen. Allerdings, und daran besteht kein Zweifel, ist die NFL eine “Passing League”, man muss den Ball werfen um Spiele gewinnen zu können. Das belegen die Zahlen der vergangenen Jahre. Wenn man den Gegner stoppen will, muss man den Quarterback unter Druck setzen und daran hindern einen Drive aufzubauen. Man braucht also auch Pass Rusher.

Vor 30 Jahren noch war der Wert des Runningbacks deutlich höher. Teams zogen das Laufspiel dem Pass vor. Die Position des Runningbacks war vom Wert her also höher als es heute der Fall ist. Im Jahr 2018 ist es wichtig, dass ein RB nicht nur laufen, sondern vor allem auch fangen und blocken kann – um den Spielmacher eben zu beschützen. Wenn man keinen geeigneten Quarterback hat, kann man nicht langfristig erfolgreich sein.

Die vergangenen Jahre

Sollten die Cleveland Browns Saquon Barkley tatsächlich mit dem ersten Draft-Pick wählen, würde er der erste Runningback seit 1995 sein, der an der ersten Position vom Board geht. Die Cincinnati Bengals tauschten für Ki-Jana Carter ihren Erstrundenpick (#5) und ihren Zweitrundenpick (#36) mit den Carolina Panthers. Carter bekam damals den höchsten Vertrag eines Rookies (19.2 Millionen Dollar) und sollte die Bengals auf Schiene bringen. Tatsächlich spielte er acht Jahre in der NFL und kam auf 1.144 Rushing-Yards und zwanzig Touchdowns. Verletzungen plagten den Läufer, den Erwartungen konnte er nicht gerecht werden.

Nach Carter ist Reggie Bush der letzte Runningback der mit einem der ersten beiden Picks gedraftet wurde (#2 2006). Die Saints konnten mit ihm einen Super Bowl gewinnen, Bush zog es zu verschiedenen Teams und konnte zwei mal die 1.000 – Yard-Marke knacken.

Natürlich gingen immer wieder Runningbacks in der ersten Runde, teilweise natürlich auch erfolgreich (Adrian Peterson), aber in die Top-5 schaffte es bis auf Trent Richardson (#3 2012) lange Zeit keiner mehr (Darren McFadden wurde 2008 an vierter Stelle ausgewählt). In den vergangenen zwei Jahren änderte sich der Trend wieder, als Ezekiel Elliott und Leonrad Fournette jeweils an vierter Stelle ausgewählt wurden. Und beide machten ihre Offensive sofort signifikant besser, oder?

Scheme

“Ein früh gedrafteter Runningback macht jede Mannschaft sofort besser und erhöht die Siegeschance enorm”. Man könnte glauben, diese Aussage sei richtig. Todd Gurley (#10 2015) gilt dabei als Paradebeispiel, hat er doch in der abgelaufenen Saison 1.305 Rushing-Yards (13 TDs) und 788 Receiving-Yards bei sechs Touchdowns. MVP-Rufe wurden laut, Gurley schien unaufhaltsam. En Jahr zuvor rushte er für 885 Yards (sechs TDs) und wurde stark kritisiert. In seiner Rookie-Saison lief Gurley zu 1.106 Yards und zehn Touchdowns. Die St. Louis Rams gewannen in dieser Spielzeit sieben Spiele. 2017 gewann man die NFC West mit elf Siegen. Ist Gurley der Grund? Zum Teil, hauptsächlich aber Jared Goff bzw. Sean McVay, der der Offensive wieder neues Leben einhauchte. Mit einem Spielmacher konnten sich die Rams enorm steigern.

Einen umstrittenen Spielmacher haben die Jacksonville Jaguars. Blake Bortles gilt immer noch als angezählt, auch wenn er seine Mannschaft in diesem Jahr bis ins AFC Conference Finale führen konnte und sein Vertrag um zwei Jahre verlängert wurde. Mit der Auswahl von Leonard Fournette wollte man Druck von Bortles nehmen und erfolgreich Football spielen. Tatsächlich ist der Wandel eines Teams von drei auf elf Siege absolut ansehnlich, Fournette hatte daran – auch wenn er in den Playoffs eine Redzone-Maschine darstellte – keinen so großen Anteil, als man das vermuten könnte: 1.040 Yards in 13 Spielen und neun Touchdowns schauen nicht schlecht aus, 3.9 Yards pro Lauf aber schon. Vor Fournette liefen die Jaguars für 1.631 Yards im Jahr 2016 und durchschnittlich 4.2 Yards pro Versuch. Mit Fournette kam man auf 2.262 Yards und 4.3 Yards pro Versuch (diese gingen von 392 auf 527 hinauf). Man hat sich also um 0.1 Yards verbessert. Und dafür den Viertrunden-Pick ausgegeben.

Als letztes Beispiel sei noch Ezekiel Elliot angeführt. Die Cowboys kamen in seiner Rookie-Season auf 2.396 Yards (Platz zwei in der NFL) und konnten den Platz 2017 trotz der langen Sperre von Elliott halten (2.170 Yards). 2016 war man im Passing-Game auf dem 23. Platz, 2017 auf dem 26.

Impact

Blicken wir auf die besten Rushing-Teams des vergangenen Jahres:

  • Jacksonville Jaguars
  • Dallas Cowboys
  • Philadelphia Eagles
  • Carolina Panthers
  • New Orleans Saints
  • Buffalo Bills
  • Minnesota Vikings
  • Los Angeles Rams
  • Kansas City Chiefs
  • New England Patriots

Die Jaguars haben wir schon beleuchtet, in Abwesenheit von Leonard Fournette konnten T.J. Yeldon, Chris Ivory und Corey Grant für den Raumgewinn über den Lauf sorgen. Die Dallas Cowboys verließen sich ohne Elliott auf Alfred Morris (einen Sechstrundenpick) und den nicht gedrafteten Rod Smith. Beide kamen auf ordentlich Raumgewinn, Smith auf 209 Yards (4.5 Y/C), Morris auf 547 Yards (4.8 Y/C).

Die Eagles konnten dank des zur Verfügung stehenden RB-Kollektivs den Super Bowl gewinnen. LeGarrette Blount (Undrafted), Jay Ajayi (Fünftrunder) und Corey Clement (Undrafted) ergänzten sich nahezu perfekt.

Carolina gab im vergangenen Jahr den achten Pick für Christian McCaffrey aus. Der junge Läufer kam hauptsächlich als Passempfänger zum Einsatz und schien die wichtigste Anspielstation für Cam Newton zu sein. Letzterer führte die Mannschaft auch in Rushing-Yards an, Veteran Jonathan Stewart legte noch 680 Yards drauf.

Das Backfield der New Orleans Saints ist sinnbildlich für die Causa: Mark Ingram, der damalige Heisman Trophy Gewinner, wurde 2011 an 28. Stelle ausgewählt, konnte aber lange Zeit die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Viele Fumbles, keine Saison über 1.000 Yards (erst 2016 in seiner sechsten Saison konnte er diese Marke durchbrechen) und schon als mittlerer Bust verschrien, konnte er sich jetzt steigern. Alvin Kamara ist der Real Deal, ein Drittrunder mit dem erhofften Impact eines Top-5 Picks. 728 Yards, 6.1 Yards pro Carry und 826 Receiving-Yards bei insgesamt 13 Touchdowns. Verdienter Rookie des Jahres.

Kareem Hunt spielte ebenfalls eine hervorragende Saison und wäre wohl Rookie des Jahres geworden, wenn Kamara nicht komplett durchgedreht wäre. Ein Drittrunden-Pick der mit 1.327 Yards die NFL anführte und 455 Receiving-Yards beisteuerte. Wenn man ihn noch effektiver eingesetzt hätte, die Chiefs wären gegen die Tennessee Titans sicherlich nicht ausgeschieden.

Man könnte diese Liste noch weiter ausführlich beleuchten, auffällig ist aber: Frühe Draftpicks haben keinen signifikant-größeren Impact auf ihre Offensive, als es spätere Draftpicks oder gar undraftet Spieler haben.

Langlebig?

Man geht davon aus, dass Runningbacks bis zu einem Alter von 30 Jahren für ordentlich Wirbel in der NFL sorgen können. In der Regel stimmt diese Annahme, Ausnahme bildet der ewige Frank Gore, der es auch jenseits dieser Marke schafft auf über 1.000 Yards zu rushen. Man geht davon aus, dass man mit einem Erstrunden-Pick einen Starter für die kommenden acht bis zehn Jahre verpflichtet. Tatsächlich nimmt die Leistung der Läufer schon früher ab, der Höhepunkt wird durchschnittlich mit 26 Jahren erreicht. Danach kann man sich statistisch gesehen nicht mehr signifikant verbessern. Das bedeutet, dass Teams nach dem Draft meistens nur fünf Jahre einen sehr starken Runningback zur Verfügung haben und sich dann eigentlich schon nach einem Nachfolger umsehen müssen. Deshalb sieht man vermehrt ein auf mehrere Köpfe aufgeteiltes Backfield.

Es spielt auch absolut keine Rolle, wer die NFL in Rushing-Yards anführt. Davon kann sich ein Team nichts kaufen. Kareem Hunt konnte seine Mannschaft nicht vom Aus bewahren, Ezekiel Elliott 2016 ebenfalls nicht. Adrian Peterson schied mit den Vikings 2015 in der Wildcard-Runde aus, DeMarco Murray 2014 in den Divisional-Playoffs. Die vier genannten sind die Top-Rusher der vergangenen vier Jahre, angeführt von zwei Erstrundern und zwei Drittrundern. Das sagt also gar nichts aus.

Zusätzlich liegt der Unterschied vom Leading-Rusher zum zehntbesten Rusher bei rund 605 Yards im Zeitraum 2012-2017. Dabei wurden die Listenanführer im Schnitt an 44. Stelle ausgewählt, der Zehntbeste an 53. Stelle. Viel Unterschied gibt es hier also nicht.

Was sollte man also machen?

Mit einem top-5 Pick sicherlich nicht einen Runningback wählen, auch wenn die Versuchung groß scheint. Es gibt im Grunde genommen nur drei Positionen die es wert wären, so früh gezogen zu werden: Quarterbacks, Tackles und Pass Rusher. Das sind die drei Positionen die den Grundstein für erfolgreichen Football legen und über Jahre hinweg bei einem Team bleiben werden. Die Position ist schlichtweg nicht mehr so wichtig, dass man einen Erstrundenpick dafür ausgeben muss.

Im konkreten Fall der Cleveland Browns mag sich für den ein oder anderen Saquon Barkley aufdrängen, es wäre aber einfach nicht vernünftig ihn auszuwählen. Lieber nach hinten traden und mehr Picks sammeln, zumal das Backfield der Browns mit Carlos Hyde ja nicht schlecht besetzt ist. Dasselbe gilt für die New York Giants, die zwar einen Runningback bräuchten, jedoch keine starke Line haben die den Läufer unterstützen könnte noch einen jungen Quarterback im Team haben.

Natürlich findet man nicht jedes Jahr einen Spieler in der dritten Runde wie Kareem Hunt oder Alvin Kamara. Aber der Trend aus den Colleges zeigt, dass es derzeit wieder eine enorme Dichte an talentierten Läufern gibt. Man findet spät auch noch einen mehr als soliden RB. Im Zweifel teilt man das Backfield auf mehrere Schultern auf – siehe Chicago, die mit Jordan Howard und Tarik Cohen ein sehr gefährliches spät-gedraftetes Duo in der Mannschaft haben.

Ein früher RB hat also nicht den Impact von dem man ausgeht. Es bringt nichts jedes Jahr den Top-Rusher in der Mannschaft zu haben, wenn das restliche Team (insbesondere der Quarterback) nicht fähig ist Spiele zu gewinnen. Lasst euch das von einem Detroit Lions Fan sagen – dem Team, das mit Barry Sanders den besten Runningback aller Zeiten in der Mannschaft hatte. Und seit 25 Jahren auf einen Playoff-Sieg wartet…

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


*