Die wunderbare Karriere des Tony Romo

Tony Romo kehrt dem aktiven Football-Sport den Rücken zu, wird zukünftig nicht mehr mit Bällen sondern als Broadcaster mit Worten um sich werfen. Von vielen wurde Romo immer als ewiger Verlierer belächelt, andere sahen in ihm den unterschätztesten Quarterback der vergangenen Jahre. Und wieder andere verstehen seinen Entschluss aufzuhören absolut nicht. Ein Blick auf die außergewöhnliche Karriere des Tony Romo:

Was mag dem 36-jährigen Spielmacher der Dallas Cowboys am Tag seines Rücktritts wohl durch den Kopf gehen? Hab ich alles erreicht? Was war der größter Sieg? Wie sehr schmerzt der nicht gegebene Catch von Dez Bryant im Playoff-Spiel gegen die Green Bay Packers noch? Wann wären die Chancen auf den Super Bowl am größten gewesen? Ist wirklich jetzt der richtige Zeitpunkt zum Rücktritt?

Angefangen hat alles in Kalifornien, dort kam Antonio Ramiro Romo am 21. April 1980 als Sohn eines US Navy Soldaten und einer Verkäuferin in San Diego zur Welt. Seine Familie zog zurück in die Heimat, nach Wisconsin, als Romo noch ein Kind war. In Burlington sollte er erste Bälle werfen, neben Football beschäftigte sich Romo mit Base- und Basketball. An der Highschool startete er als Quarterback und obwohl Romo sein Team nicht zu einem positiven Record führen konnte (3-6) bekam er individuelle Auszeichnungen, wurde in die Auswahl der besten Highschool-Footballspieler seines Staates gewählt.

Ob er heute noch an diese Zeit denkt?

Als Romo am 29. Oktober 2006 sein Team gegen die Carolina Panthers zum 35:14 Erfolg führte, war nicht nur der Star der Dallas Cowboys wieder geboren: Romos Karriere begann. Endlich. Dreieinhalb Jahre hatte er in keinem Pflichtspiel mehr den Ball geworfen. Als er sich 2003 für den NFL Draft anmeldete, waren seine Chancen nicht schlecht in einem Team unterzukommen. Zu gut waren seine Leistungen bei East Illinois, wenn das College auch nicht in der höchsten Uni-Klasse spielte. Dennoch musste er mitansehen, wie 13 Quarterbacks vor ihm gezogen wurden. Vor ihm im Sinne von: überhaupt gezogen wurden. Romo blieb dieses Erlebnis verwehrt.

Zwei Teams die zu dieser Zeit mit ähnlichen Problemen auf der Quarterback-Position zu kämpfen hatten waren die Denver Broncos und die Dallas Cowboys. Beide Mannschaften fielen offensiv ein wenig zusammen, nachdem die jeweiligen Franchise-Quarterbacks – John Elway auf Seiten der Broncos, Troy Aikman auf Seiten der Cowboys – vom Sport zurücktraten. Bei Denver spielte bis 2003 Brian Griese als QB, schon seit 1999, allerdings konnte er sich auf Grund von Verletzungen und allgemeinen Spielschwächen nicht etablieren. Der damalige Broncos Head-Coach Mike Shanahan verstärkte sich zunächst mit Jake Plummer, einem etablierten NFL-QB. Das Thema schien damit abgeschlossen zu sein – obwohl Shanahan Interesse an Romo bekundete, man verpflichtete ihn nicht als Undrafted Free Agent.

Wohl aber die Dallas Cowboys: der damalige Quarterback-Coach der Cowboys Sean Payton war von den Fähigkeiten des jungen Spielmachers überzeugt und verpflichtete ihn prompt. Romo fand sich im Trainings Camp wieder, als dritter QB hinter Quincy Carter und Chad Hutchinson. Nach einem Jahr ohne Einsatz schien die Karriere schon beendet zu sein, ehe sie begonnen hat: Dallas entließ Hutchinson, holte sich aber in Form von Vinny Testaverde (zu diesem zeitpunkt ein Ultra-Veteran, Overall Firstround-Pick des Jahres 1987) und Drew Henson (er wurde 2003 von den Houston Texans im Draft ausgewählt) zwei neue QBs. Macht also insgesamt vier Spieler für eine Position. Romo musste dran glauben, hatte aber Glück, dass Carter – wir erinnern uns, das ist der eigentliche Starter – auf Grund von positiven Drogentests entlassen wurde und er wieder einen Platz in der Mannschaft einnehmen konnte. Dennoch sollte es noch zwei Jahre dauern, ehe er nicht mehr den Ball halten (Holder für Kicks – das sollte noch interessant werden), sondern ihn auch werfen durfte.

Mr. Robot

Wenn man Romo eines nicht vorwerfen kann, dann ist das Wehleidigkeit. Nicht viele sind und waren härter im nehmen als Romo. Das wohl berühmteste Exempel für diese These stammt aus dem Jahr 2011, als er in Woche zwei auf die San Francisco 49ers und ganz speziell auf Cornerback Carlos Rogers traf: bei einem Hit im zweiten Viertel brach eine Rippe, die Lunge wurde “angestochen”, Romo musste logischerweise vom Feld. Dennoch kam er Ende des dritten Viertels zurück, warf im letzten Spielabschnitt einen Touchdown und führte sein Team zu einem Field Goal kurz vor Schluss, das Dallas in die Verlängerung brachte. Obowhl San Francisco den Ball in der Overtime bekam, konnte die Cowboys Abwehr die 49ers stoppen und zum punten zwingen. Romo übernahm an der 22-Yard Linie, warf eine 77 Yard Bombe auf Jesse Holley womit man an der 19-Yard Linie der 49ers stand. Dan Bailey brachte das Ei unter. Romo beendete das Spiel mit 345 Yards, zwei Touchdowns und einem Rating von 116.4. Wohlgemerkt mit diesen Verletzungen.

Es war nicht seine erste Verletzung und es sollte nicht seine letzte bleiben. 2010 brach er sich das Schlüsselbein, 2011 kam neben der Rippen/Lungenverletzung noch eine Handverletzung hinzu, als die Hand – nach einem Wurf – Bekanntschaft mit einem gegnerischen Helm machte und so beeinträchtigt wurde. Romo spielte trotzdem weiter, nahm sich keine Auszeit. 2013 Rippen-Verletzung und Bandscheibenvorfall, 2014 bekam er das Knie von Redskins-Linebacker Keenan Robinson in den Rücken gedrückt – Wirbelbruch. 2015 wieder Schlüsselbeinbruch, er fiel acht Wochen aus, kam zurück und verletzte sich an der Schulter. 2016 wieder Wirbelverletzung – noch in der Preseason. Er sollte nur noch vier mal den Ball werfen.

Mexiko macht (niemand) froh – “That’s my Quarterback”

2007 war ein verrücktes Jahr. In Bayern tritt Edmund Stoiber zurück, “Die Linke” wird gebildet, in Österreich heißt der Bundeskanzler ab jetzt Gusenbauer. Das iPhone wird vorgestellt, Microsoft bringt Windows Vista auf den Markt, der VFB Stuttgart wird deutscher Meister, Kimi Räikkönen gewinnt die Formel eins. In den Charts besingt Rihanna einen Regenschirm, Dieter Bohlen jault mit Mark Medlock um die Wette, die Ärzte beklagen in “Junge” Löcher in der Nase. Und Jessica Simpson war wieder einmal eine Antwort auf eine Frage, die nie jemand stellte. Und berühmt.

2007 sollte für Romo zunächst gut beginnen. Zumindest theoretisch. Nachdem er sich zu Beginn der Saison 2006 mit herausragenden Leistungen zum unumstrittenen QB spielen konnte (das Thanksgiving-Spiel gegen Tampa Bay sei hier erwähnt) führte er sein Team in die Postseason. Die Seattle Seahawks warteten im Wildcard-Playoff. 20:21 mit 1:09 Minuten auf der Uhr im letzten Viertel war wieder alles angerichtet für eine weitere Sternstunde in der jungen Karriere. Das einzig blöde daran: man war musste schon den vierten Versuch ausspielen, ein Yard fehlte auf ein neues First-Down. Das einzig gute daran: man war schon an der gegnerischen 19-Yard Linie. Also Field Goal nehmen und alles gut. Das wirklich bittere daran: Romo, der zwei Jahre nichts anders getan hat als Bälle für seinen Kicker zu halten, fumbelte den Snap, ergriff den Ball noch rasch, lief selbst, kam aber nicht über die First-Down-Markierung. Turnover on downs und erster Turnover für den Shooting-Star. Football in Texas kann grausam sein, die ersten Tage nach dem Spiel dürften wohl nicht die schönsten in Romos Laufbahn gewesen sein.

Aber man kannte ihn jetzt, der Erfolg des nicht gedrafteten Quarterbacks war eine zu gute Story. Und mit ihm wollten die Football-Verrückten Texanern endlich wieder einen Super Bowl Sieg einfahren, man war sich sicher: er ist die Zukunft dieser Franchise. Nach acht langen Jahren und ebenso vielen QBs fand man in Romo endgültig die Lösung. Die Saison 2007 sollte eine äußerst erfolgreiche darstellen, um ganz genau zu sein die beste in der Ära Romo sofern man 2016 Dak Prescott anrechnet: man beendete die reguläre Spielzeit mit einem Record von 13 Siegen und drei Niederlagen. Platz eins in der NFC East, Divisional-Playoff garantiert. Warum es damals nicht für den ganz großen Wurf gereicht hat? Viele Fans benennen das Kind beim Namen: Jessica Simpson ist Schuld!

Romo begann im November 2007 die “Sängerin/Schauspielerin/whatever” zu daten. Die Liaison stand natürlich im Zentrum der Boulevard-Medien, Simpson besuchte logischerweise auch Spiele ihres neugewonnenen Schatzis. Vor November verloren die Cowboys nur ein Spiel, ab Dezember noch zwei. Die zweite Saisonniederlage setzte es in Woche 15 gegen Divisionsrivalen Philadelphia, Dallas unterlag mit 6:10. Romo spielte eine katastrophale Partie, kam auf 214 Yards und drei Interceptions. Jessica Simpson war im Stadion anwesend, dem letzten Heimspiel der Saison. Fans vermuteten dass sich Romo zu sehr um seine neue Flamme als um den Football kümmerte.

Und bekamen auch Recht. Just eine Woche vor dem Playoff-Spiel gegen die New York Giants, reiste Romo zusammen mit Simpson und seinen Mitspielern Jason Witten und Bobby Carpenter nach Cabo/Mexiko. Verfrühter Urlaub sozusagen. Der Trip wurde äußerst kontrovers diskutiert, Troy Aikman verurteilte den Ausflug massiv. Die Fans gingen auf die Barrikaden:

Romo und die Cowboys sollten das Spiel gegen die Giants mit 17:21 verlieren, Romo brachte 18 von 36 Pässen an, warf 201 Yards und einen Touchdown sowie eine Interception. Simpson blieb dem Spiel aber vorsichtshalber fern. Sein Teamkollege und Terrell Owens, wohl der beste Receiver auf den Romo je warf, verteidigte den QB in einem sehr berühmten Interview sehr emotional.

Alle gehen, nur einer bleibt

Die wohl ehrlichste Konstante in Romos (Football-)Leben dürfte Tight End Jason Witten sein. Witten kam ebenfalls 2003 in die NFL, wurde in der dritten Runde gepickt und ist seitdem zu einem der besten und erfolgreichsten NFL-Spieler geworden. Witten und Romo – das passte: 53 Touchdowns verzeichneten die beiden zusammen. Die besondere Bromance zwischen Romo und Witten ging sogar soweit, dass Terrell Owens sich regelrecht darüber beschwerte, dass “sein” Quarterback am Feld immer Witten bevorzugen und andere Spieler gar nicht mehr oder nur zu wenig ausreichend beachten würde. Owens packte seine Sachen und nahm 2008 Abschied aus Dallas. Der ewige Witten ist der einzige aus dem Trio der immer noch spielt.

Am Ende noch einmal richtig gut

Die letzte richtig gute, nein, die beste Saison seiner NFL-Karriere erlebte Romo mit 34 Jahren im Jahr 2014. Auch wenn er wegen der Rückenverletzung ein Spiel verpasste, führte er die Cowboys mit einem 12-4 Record zum Sieg der Division und in die Playoffs. Individuell glänzte er als er die Liga in Pass-Completions (69.9%) und mit einem Rating von 113.2 anführte. Wenn nicht jetzt Super Bowl, wann dann? In den Playoffs warteten zunächst die Detroit Lions – Einschub: nachdem der Verfasser dieses Textes starke Sympathien für das Team aus Michigan hat, wird dieses Spiel nicht unbedingt objektiv erwähnt – die man, dank fantastisch schlechter Schiedsrichter-Leistungen, nach Aufholjagd mit 24:20 besiegte. Karma, meine lieben Freunde schlägt immer zurück. So auch im darauffolgenden Spiel gegen die Green Bay Packers, als die mittlerweile legendäre “It was a Catch”-Phrase begründet wurde: Romo warf im vierten Viertel beim Stand von 21:26 aus Sicht der Cowboys eine Bombe auf Dez Bryant, er kam damit zwar in die Endzone, verlor aber im Fallen die Kontrolle über den Ball. Kein Touchdown. Kein Sieg. Ende der Saison.

This is Tonys Team

Wie hat er sich wohl gefühlt, als Dak Prescott ihn von der Starting-Position verdrängt hat? Prescott, der unbändigbare Rookie, versicherte die gesamte Saison in fast schon nervend netten Ton, dass die Cowboys “Tonys Team” seien, dass er nur auf die Rückkehr des Veterans warte. Aufs Feld kam er nur noch einmal kommen, im letzten Spiel der Regular Season. Natürlich warf er wieder einen Touchdown-Pass, leider nicht auf Jason Witten – aber das wäre ja zu kitschig gewesen.

Was bleibt von Romo? Diverse NFL Rekore, unter anderem jener für die meisten Auswärtsspiele hintereinander mit zumindest einem Touchdown (41; von 2009-zu seinem Karriereende). Er ist der erfolgreichste Quarterback der Dallas Cowboys, zumindest wenn es nach Passing-Yards und Passing-Touchdowns geht. Vier mal wurde Romo in den Pro Bowl gewählt, einmal ins All-Pro Second-Team. Nur soviel zum sportlichen.

Nach 13 Jahren ist also Schluss. Romo wird künftig bei einem TV-Sender mit Expertisen glänzen. Die Houston Texans dürften mehr und mehr verzweifeln (also Jay Cutler oder einen jungen QB im Draft holen), Denver schien Romo nicht mehr genügend zu reizen. Schade, denn hier ist die Antwort auf die eingangs gestellte Frage: Ist wirklich jetzt der richtige Zeitpunkt zum Rücktritt? Nein Tony, da wär noch was drinnen gewesen.

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