seNFLs Top 50: Jordy Nelson – der fangsicherste Bauer der NFL

Jeder Quarterback hat seinen Lieblings-Passfänger: Joe Montana hatte Jerry Rice, Peyton Manning hatte Marvin Harrison – und Aaron Rodgers hat Jordy Nelson. Nachdem Nelson 2015 mit einer schweren Knieverletzung komplett ausfiel, kam er im vergangenen Jahr so stark wie eh und je zurück, holte sich die Auszeichnung des Comeback-Players des Jahres und führte die Receiver mit 14 Touchdowns in der Liga an. Dabei hat er noch ein ganz anderes Hobby: Landwirtschaft.

Es sind Momente wie jener im August 2015, die NFL-Fans zornig zurücklassen: Jordy Nelson fängt in Woche zwei der Preseason gegen die Pittsburgh Steelers eine 80-Yard Bombe von Aaron Rodgers, geht danach aber ohne Fremdeinwirkung zu Boden. Diagnose: Kreuzbandriss. Eine der schlimmsten und langwierigsten Verletzungen, zugezogen in einem für ihn eigentlich komplett unwichtigen Spiel. Saisonaus. Bei den Anhängern brennt die alte Diskussion über den Einsatz von Schlüsselspielern in diesen nicht wichtigen Partien wieder auf. Und viele sind ob des Alters von Nelson (30 Jahre zu diese Zeitpunkt) betrübt und beängstigt, ob der Superstar noch einmal zurückkommen kann.

Ad Astra per Aspera

Nelson wuchs in Leonardville, Kansas auf, einer Stadt mit satten 500 Einwohnern. Viel gibt’s dort nicht, die Bevölkerung ist zu einem Großteil in der Landwirtschaft tätig. So auch die Eltern von Nelson, die zusammen mit Jordys älterem Bruder Mike und seiner jüngeren Schwester Kelsey eine 1000 Ar-große Farm mit über 1000 Kühen betreiben. Videospiele oder ähnliches gab es dort nicht, viel mehr verbrachte man die meiste Zeit an der frischen Luft: laut Nelson war es eines der angesagtesten Dinge einfach mit dem Rad an der Hauptstraße entlang zu fahren und sich so die Zeit zu vertreiben. Natürlich kann man auch Campen gehen, mit ein paar Waffen schießen (it’s america, stupid!) oder einfach Sport treiben. Immer. In jedem Hinterhof.

Am Land üblich, gilt die gesamte Aufmerksamkeit am Freitag-Abend – oder wenn das Team überdurchschnittlich spielt, die gesamte Woche – dem lokalen Highschool Football Team. Friday Night Lights. Nahezu die gesamte Bevölkerung, ob man will oder nicht, schlendert dann auf den Football-Platz und feuert die junge Mannschaft an. Nelson, sein Bruder und seine Freunde waren keine Ausnahme, spielten immer während der Partie nahe der Endzone Football und wurden, wie üblich, gerne angeschrien wenn der Ball mal aufs Feld geworfen wurde.

Die gesamte Familie Nelson ist sportlich. Nelsons Eltern spielten beide in der lokalen Softball Mannschaft, eine von Jordys Lieblingssportarten (erst vergangenes Wochenende veranstaltete er das Packers Softball-Game inkl. Aaron Rodgers), Mike spielte Football, Kelsey Volleyball. Und Jordy nahezu alles: im Herbst Football, im Winter Basketball, machte Leichtathletik im Frühling und spielte Baseball im Sommer. Nur einen Sport zu spielen, dass kam für Nelson niemals in Frage.

Anders als im Jahr 2017, spielte Jordy damals noch als Quarterback, sein Bruder Mike hinter ihm Runningback. Damals noch ziemlich schmächtig, ging Nelson im Sommer täglich an die Fitnesskammer der Highschool – wohlgemerkt nachdem er den ganzen Tag auf der Farm arbeitete.Es sollte sich bezahlen, in seinem letzten Jahr konnte 62% seiner Pässe an den Mann bringen (1.029 Yards, acht TDs) und 1.572 Yards und 25 Touchdowns über den Lauf erzielen. Spricht Nelson jetzt von dieser Zeit, betont er immer die Rolle seiner Trainer, die ihm nicht nur alles über Football beibrachten, sondern ihm auch sehr viel fürs Leben mitgaben. Von seinen Eltern bekam er für die Feldarbeit ein Taschengeld – wie Nelson sagen sollte war das sein einziger Sommerjob während der Highschool Zeit – mit dem er sich einen alten Chevy Monte-Carlo leistete. Prinzipiell wollte man die Kinder schnell unabhängig machen, ab dem Zeitpunkt wo Jordy Geld verdiente, musste er sich Ausrüstung für diverse Sportarten selbst kaufen. Aber einen Nike Air Jordan wollte er sich nicht gönnen, 100-150$ für ein Paar Schuhe – das sah Jordy nicht ein.

Rule by Obeying Nature’s Laws

Mit viel rechnete Nelson nicht, schon gar nicht mit einer professionellen Sportkarriere. Er liebte Basketball – viel mehr als Football, bekam aber von zwei Colleges aus der zweiten College-Division Angebote für ein Stipendium (Emporia State und Washburn). Washburn hatte gute Chancen, dort hätte er Basketball und Fottball spielen dürfen. Kansas State, Nelsons Lieblingsmannschaft und zum damaligen Zeitpunkt (2003) eines der besten Teams des gesamten Landes, interessierte sich überraschenderweise auch für ihn. Allerdings wollte man ihm kein Stipendium zahlen, viel mehr sollte er sich in einem Probetraining beweisen um so den Sprung in die Mannschaft zu schaffen. Auch wenn ihm Football nicht so viel Freude bereitete wie Basketball, versuchte er es – vielleicht gäbe es ja doch eine Chance später eine Profi-Karriere zu starten. Und es funktionierte.

Da er aber nicht mit einem Stipendium ausgestattet war, musste er für die Gebühren aufkommen. Nelson hatte einige Ersparnisse von seinem Farm-Geld, am Ende war das aber dann doch zu wenig. Also sprang Opa-Nelson ein, wenn auch mit einer unorthodoxeren Methode: anstatt Jordy das Geld zu leihen, kaufte er ihm einen und seinen Geschwistern jeweils eine Kuh – vorbeugend falls sie einmal aufs College gehen würden. Die Kuh gab Kälber, als Jordy auf die Uni gehen sollte hatte er eine Herde von zehn Tieren. Er verkaufte die Bullen (die ihm jeweils zwischen 1.500 und 2.000$) einbrachten und hatte die nötige Summer zusammen, um auf die Hochschule gehen zu können.

Bei Kansas State spielte er zunächst als Defensive Back ehe ihn Coach Bill Synder als Wide Receiver aufstellte. Im Sophomore-Jahr fiel er auf, konnte 45 Catches für acht Touchdowns beisteuern. Die Erwartungen für sein Junior-Jahr waren hoch, Verletzungen bremsten ihn aber stark aus, sodass er nur 39 Pässe fangen und nur einen Touchdown erzielen konnte. Im letzten Jahr explodierte er aber mit 122 Fängen für 1.606 Yards und elf Touchdowns. Zudem konnte er zwei Touchdowns als Passgeber und zwei Touchdowns als Punt-Returner verzeichnen. Die NFL-Karriere schien plötzlich sehr nahe.

Rodgers Liebling

In der zweiten Runde des NFL Drafts 2008 schlug dann seine große Stunde: die Green Bay Packers wählten ihn an 36. Stelle aus und sollten damit eine der besten Entscheidungen in der jüngeren Vergangenheit treffen. Auch wenn er sich in den ersten beiden Spielzeiten noch eher schwer tat und hauptsächlich als Returner fungierte, konnte er ab der dritten Saison durch deutliche Leistungssteigerungen auffallen. Die Regular Season schloss er mit Karrierehöchstwerten ab (zu diesem Zeitpunkt): 582 Yards, zwei Touchdowns. Als Aaron Rodgers gegen Ende der Saison verletzt ausfiel, wurde bekannt, dass Nelson der dritte QB am Roster der Packer ist. Rodgers kam aber wieder zurück, führte das Team in den Super Bowl, wo er zusammen mit Nelson die Pittsburgh Steelers mit 31-25 besiegen konnte. Nelson spielte eines seiner besten Spiele, kam auf 140 Yards bei neun Fängen und einen Touchdown. Es war sein großes Durchbruchspiel.

Ab diesem Zeitpunkt stieg er spätestens zu einem der besten Receiver der NFL auf. Die Chemie zwischen ihm und Rodgers ist schier magisch – ok, eigentlich ist fast alles von AR magisch – Nelson konnte 2011 Bälle für 1.263 Yards und satte 15 Touchdowns fangen. 2012 verpasste er vier Spiele wegen einer Oberschenkel-Verletzung, am aber trotzdem auf 745 Yards (sieben TDs), 2013 waren es gar 1.314 Yards bei acht TDs. Komischerweise wurde Nelson in dieser Zeit nie in den Pro Bowl gewählt, er war immer nur eine Alternativ-Kandidat. 2014 erfolgte die gutbezahlte Vertragsverlängerung (39 Millionen, 14 Millionen garantiert), ehe er mit 1.519 Receiving-Yards und 13 Touchdowns seine bisher beste Spielzeit absolvierte. Diesmal reichte es für den Pro Bowl. Doch dann kam die Offseason zur Saison 2015 und in Folge dessen die Katastrophe gegen die Steelers in Woche zwei der Preseason. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Nelson 53 Touchdown-Pässe von Aaron Rodgers gefangen. Aber mit Anfang 30 war ein Comeback in erfolgreicher Form, nach einer schweren Knieverletzung nicht mehr sicher.

Nachdem er die gesamte Spielzeit über pausieren musste, kehrte Nelson 2016 wieder auf’s Feld zurück. Und wie: als ob er nir weggewesen wäre, fing er die Bälle seines Spielmachers, konnte am Ende 1.257 Yards und mit 14 Touchdowns die meisten Receiving-TDs der Liga verzeichnen. Die Leistungen reichten um als Comeback Player des Jahres ausgezeichnet zu werden. Spannend ist dabei, dass Nelson heuer sehr viel aus der Slot kam und sein Spiel im Grunde genommen auf ein höheres Level brachte:

Hier ein Beispiel für sein neues Spiel:

Zurück zum Glück

Nelson nimmt aktuell an den OTAs (Organised Team Activity) der Packers teil, was für ihn eher untypisch ist. Im Normalfall verbringt er zusammen mit seiner Familie den Großteil seines Urlaubs auf der Farm seiner Eltern, wo er bis zu zwölf Stunden mitarbeitet. Seine Geschwister sind ebenfalls noch in Kansas, sein Bruder ist Farmer, seine Schwester Grundschullehrerin. Nelsons Frau Emily kommt ebenfalls von dort, für sie ist ebenso wie für Jordy klar, dass man nach der NFL-Karriere wieder dorthin ziehen wird. Auch um den eigenen Kindern das Leben am Bauernhof zu zeigen. Fragt man Nelson, wie er sich selbst sieht, sagt er: “Ich fühle mich mehr als Bauer, denn als Football-Spieler.” Landwirtschaft, Basketball als große Leidenschaften – dafür ist Nelson ein verdammt guter Footballspieler.

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