seNFLs Top 50: Melvin Gordon vs Todd Gurley

Melvin Gordon und Todd Gurley. Wann immer man von einem der beiden spricht, ist der andere nicht weit. Sie werden schon seit Jahren miteinander verglichen – unterschiedlicher und doch ähnlicher hätten die NFL-Karrieren der talentierten Runningbacks nicht laufen können. Ein Porträt:

Was mussten sich die (mittlerweile) Los Angeles Chargers schon alles anhören? “Bust, verschwendeter Erstrundenpick, schlecht gescouted”. Die Causa Melvin Gordon schien von einer breiten Masse schon nach nur einer Saison geschlossen zu werden. Nur damit Gordon allen bewies, dass sie komplett daneben lagen.

Umgekehrt dazu das Standing von Todd Gurley: an zehnter Stelle 2015 gedrafted, konnte er gleich in seiner Rookie-Saison mächtig abliefern – 1.106 Rushing-Yards, zehn Touchdowns, 188 Receiving-Yards. Das reichte um in den Pro Bowl einzuziehen und ins All-Pro Second-Team gewählt zu werden. In Gurley, da war man sich sicher, haben die Rams endlich wieder einen vernünftigen Runningback, ja ein Gesicht der Offensive und auch einen Publikumsmagnet in der neuen Heimat L.A.

Gordon, an Stelle 15 des NFL Drafts 2015 ausgewählt, galt neben Todd Gurley als größtes Talent seiner Klasse. Während Gurley ablieferte, hatte Gordon mit der Umstellung von College Football auf das Profi-Niveau deutlich größere Probleme. Er kam auf 641 Rushing-Yards (bei 184 Versuchen/3.5 Yards pro Carry) und 192 Receiving-Yards. Touchdowns? Fehlanzeige. Es sollte einfach nie gelingen. Damit war Gordon natürlich zum Spottobjekt geworden, diverse Experten und Trolle ließen sich über die gezeigten Leistungen aus, sahen in ihm schon einen zweiten Trent Richardson. Im Januar 2016 musste er sich einer Operation am Knie unterziehen.

Gurley stagnierte

Wir fassen (überspitzt) zusammen: Gurley also der große Star, Gordon der absolute Loser. Die Erwartungen waren für beide Läufer vor der Saison extrem hoch, Gurley musste seine hervorragende Spielzeit bestätigen, Gordon endlich den Weg in die Endzone finden. Die Vorzeichen und die Unterstützung von Seiten ihrer Mitspieler konnten auch unterschiedlicher nicht sein. Die Rams tauschten sich in einem spektakulären Geschäft mit den Tennessee Titans bis an die Spitze des NFL Drafts 2016, wählten in Jared Goff einen vermeintlichen Franchise-Quarterback, der aber erst an die Profi-Liga herangeführt werden musste und Gurley damit nicht unterstützen konnte. Natürlich muss man es eher umgekehrt sehen – Gurley als Schlüsselspieler in der Rams-Offense bindet viele Gegenspieler an sich bzw. ist die Offensive auf ihn ausgerichtet, damit kann man einem jungen QB mehr Zeit und Ordnung im Spiel verschaffen. Das war auch das Problem: das Playbook der Rams hatte offensiv nur Gurley als Option, weder Case Keenum noch Goff konnten für positive Wow-Faktoren sorgen, das Receiver-Corps der Rams war sehr dünn besetzt. Gurley musste also immer laufen, was konkret bedeutete, dass er Spielzug um Spielzug auf eine Mauer von Gegenspielern traf. Seine Zahlen gingen logischerweise nach unten, wenn er auch selbst einiges zu dieser negativen Entwicklung beitrug.

Gurley kam insgesamt auf 885 Rushing-Yards (sechs TDs) und 327 Receiving-Yards. 2015 lief er im Schnitt noch 4.8 Yards pro Versuch, in der abgelaufenen Saison kam er nur auf 3.2 Yards. Er konnte keinen Schritt nach vorne machen, er ging es ein wenig zurück. Oftmals kam Gurley auf nur einen Yard Raumgewinn bevor es zum Kontakt mit dem Gegenspieler kam, was auf eine sehr schwache O-Line schließen lässt. Dennoch hat Gurley mit seiner Vision zu kämpfen. Er will überall ein Loch sehen, liest die Situationen teilweise falsch, was seinen Schnitt von 3.2 Yards pro Carry erklärt. Gurley sucht den langen Lauf, direkt durch die Lücke. Das hat in der abgelaufenen Spielzeit nicht wirklich geklappt. Aber das ist alles jammern auf sehr hohem Niveau, Gurley war neben DeAndre Hopkins von den Houston Texans die ärmste Sau der Liga, wurde von allen im Stich gelassen (keine QB-Unterstützung, wenig Variabilität in Sachen Gameplan). Dass er sich nicht verletzte und trotz zahlreicher Gegenspieler in der Box noch solche Leistungen ablieferte, ist ihm hoch anzurechnen.

Gordon kam an

In der Offseason fokussierte sich Gordon trotz aller Umstände voll auf die neue Saison und sein Comeback, sollte schon im ersten Spiel alle Kritiker Lügen strafen: Gordon konnte gleich mit zwei Touchdowns anschreiben. Auf Grund der schweren Knieverletzung von Danny Woodhead wurde Gordon zum unumstrittenen Starter befördert und zeigte Woche für Woche Top-Leistungen. Am Ende kam er auf 997 Yards und zehn Touchdowns bei zusätzlichen 419 Receiving-Yards und zwei Touchdowns. Diese Zahlen konnte Gordon in 13 Spielen aufstellen, die finalen drei Partien verpasste er wegen Knie- und Hüftverletzungen. Dennoch wurde er in den Pro Bowl gewählt.

All das hat natürlich auch mit Philipp Rivers zu tun, einem mehr als gestandenen und etablierten Quarterback. Dadurch ist man nicht von Gordon allein abhängig sondern variabler. Blickt man auf die desolate O-Line der Chargers (man findet sie am Tebellenende), ist die Leistung vom jungen Runningback noch höher einzuschätzen. Im aktuellen Draft hat man mit Forrest Lamp und Dan Feeney die zwei besten Guards der Klasse gesichert, wohl auch, weil man das Laufspiel weiter ausbauen will. Neo Head-Coach Anthony Lynn gilt als Runningback-Guru, dass hat er bei verschiedenen Stationen in der Vergangenheit bewiesen.

Wer ist der bessere?

Das fragen die Medien natürlich sehr oft. Die beiden werden logischerweise schon seit Jahren verglichen, da die Chargers jetzt auch nach L.A. umgezogen sind, wird es noch mehr Gurley/Gordon-Artikel geben (“Wem gehört die Stadt” usw.). Die Frage ist gewissermaßen berechtigt, wenn auch vollkommen unnötig. Derzeit befindet sich Gordon sicherlich in einem für ihn viel freundlicherem Umfeld. Durch den Ausbau der Line, der Neuverpflichtung in Person von Lynn und wegen Rivers findet er ganz andere Arbeitsbedingungen vor als Gurley. Er hat auch einen neuen Head Coach (Sean McVay) und einen neuen Offensive-Coordinator in Matt LaFleur. Diese beiden müssen ein Playbook um die Stärken von Gurley herum aufbauen, gerade wenn man immer noch nicht weiß, ob Jared Goff heuer besser abliefern kann (Receiver wären ja jetzt genug im Team).

 

 

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