seNFLs Top 50: Sam Bradfords Auferstehung

Sam Bradford musste sich in den vergangenen Jahren mit viel Spott herumschlagen. Sein Körper bestünde aus Glas, er könne den Hype den er erfuhr nicht bestätigen. Wieder einmal ein Overall-Firstround-Pick der wenige Jahre später nur als Bust tituliert wird. Doch – es kam wieder einmal anders.

Die Katastrophe

“Das einen Leid, des andren Freud”. Besser hätte ein Sprichwort nicht passen können. Als sich Teddy Bridgewater, Neo-Franchise-Quarterback der Minnesota Vikings, Ende August 2016 das Knie im Training komplett zerstörte, stand die Football-Welt Kopf. Man konnte regelrecht spüren wie jeder Fan näher zusammenrückte und betete, dass Bridgewater jemals wieder einen Fuß auf ein Football-Feld setzen konnte. Kreuzbandriss ohne Fremdeinwirkung, weitere strukturelle Schäden im Knie, wenn auch keine Nerven oder Arterien beschädigt wurden. Logischerweise bedeuteten diese Verletzungen das Saisonende noch bevor die Regular Season startete. Bis zum heutigen Tag steht nicht fest, wann Bridgewater wieder spielen kann.

Es ist das worst-case-Szenario eines jeden Teams, wenn sich der Quarterback (schwer) verletzt. Bei den Viking herrschte nach den zwei Favre-Jahren und den drei Jahren mit Christian Ponder dringender Handlungsbedarf auf der Position des Spielmachers. 2014 sicherte man sich schließlich an letzter Stelle der ersten Runde (extra nach oben getradet) Teddy Bridgewater – einen Quarterback der wegen einer sehr schwachen Performance beim NFL Combine und bei seinem Pro-Day von einem Top-10 Pick zu einem gerade noch Firstround-Pick wurde. Aber es funktionierte, Teddy übernahm das Team, konnte schon in seiner zweiten Spielzeit in die Playoffs und den Pro Bowl einziehen. Alles war angerichtet für den großen Angriff in seiner dritten Spielzeit – bis die schreckliche Verletzung dazwischen kam. Wenige Wochen vor Start der NFL-Saison standen die Vikings ohne echte Nummer eins da: man musste also noch einmal am Markt zuschlagen.

Die Akte Bradford

Sam Bradford wurde schon früh eine große NFL-Karriere versprochen: am College von Oklahoma räumte er so gut wie jeden Preis ab den man als individueller Spieler gewinnen konnte, 2010 wurde er, trotz früher Schulterverletzung in seinem letzten Universitäts-Jahr an erster Stelle des Drafts ausgewählt. Die St. Louis Rams sahen in ihm ihre Zukunft. Und sollten in ihrer Annahme zunächst auch bestätigt werden. Bradford spielte eine außerordentlich gute Rookie-Saison (stellte in einigen Statistiken die zu diesem Zeitpunkt besten Werte auf), kam auf 3.512 Yards (18 TDs/15 INTs) und wurde am Ende zum Offensive Rookie des Jahres gekürt. 2011 sollte der erste Einbruch folgen, eine Knöchelverletzung ließ ihn nur an zehn Spielen teilnehmen. 2012 kam er wieder in alter Stärke zurück, kam auf 3.702 Yards (21 TDs, 13 INTs), konnte den Record aber nur auf sieben Siege, acht Niederlagen und ein Unentschieden bringen. Dank einigen Verstärkungen ging man davon aus, dass die Rams zur Saison 2013 ein echter Playoff-Kandidat werden würden, Bradford spielte in den ersten sieben Spielen ganz groß auf (1,687 Yards, 14 TDs, vier INTs, Passer-Rating von 90.9), ehe er sich das Kreuzband riss. Saison aus, die Zeit bei den Rams für ihn schlussendlich auch: zwar konnte er sich von der Verletzung erholen, leider schlug das Schicksal aber in einem Preseason-Game wieder zu, als er sich gegen die Cleveland Browns abermals das Kreuzband riss.

Bradfords Zelte sollten dank eines Trades mit den Eagles künftig in Philadelphia aufgeschlagen werden. Die Teams einigten sich auf einen Tausch, Bradford und ein Fünftrundenpick gingen in die Stadt der brüderlichen Liebe, Nick Foles und ein Fünft- (2015) und Zweitrundenpick (2016) wechselten nach Missouri. Damals schon ein eher kontroverser Deal, startete Bradford doch nur in sieben Spiele in zwei Jahren. In Philadelphia funktionierte aber recht viel, Bradford gewann den Starting-Job, schloss die Saison am Ende mit sieben Siegen und sieben Niederlagen ab (zwei Spiele verpasste er auf Grund einer Schulterverletzung inklusive Gehirnerschütterung). Die gezeigten Leistungen (3.725 Yards, 19 TDs, 14 INTs, 86.4 Rating) reichten für einen neuen Zweijahresvertrag über 36 Millionen Dollar (26 Millionen garantiert). Wohlgemerkt kam diese Verlängerung im März 2016 zustande. Das pikante daran: die Eagles tradeten mit den Cleveland Browns um im Draft an zweiter Stelle auswählen zu dürfen. Meistens kein gutes Zeichen für QBs die im Team sind, meistens wählt man wenn man so weit nach oben geht (von 13 auf zwei) einen Spielmacher. Noch vor dem Draft brodelte die Gerüchteküche, Bradfords Zukunft schien mehr als ungewiss. Wenige Tage vor dem Draft, als mehr und mehr klar wurde, dass die Eagles wohl Carson Wentz als neuen Franchise-QB holen würden, pochte Bradford auf einen Trade – vergebens. Wentz kam, Bradford blieb und meldete sich im Mai zu den ersten Einheiten. Es sollte eigentlich einen Zweikampf zwischen Bradford und Wentz um den Starting-Job geben. Dann kam gegen Ende der Vorbereitungszeit die Verletzung von Bridgewater. Und alles änderte sich.

Der Poker

Es war einer jener unvorhersehbaren Momente die uns vergangenen September beschert wurden. Für einen First- und Fourthroundpick wechselte Sam Bradford von Philadelphia tatsächlich zu den Vikings. Bei den Eagles war man mit der Entwickling von Carson Wentz sehr zufrieden, man ging also das Risiko ein, einen gestandenen NFL-Profi ziehen zu lassen und mit einem Neuling zu starten.

Dass sich die Minnesota Vikings ausgerechnet für Bradford als Bridgewater-Ersatz entschieden, war zunächst überraschend. Auf der Habenseite stand eine gute Saison bei den Eagles, die das Vertrauen in ihn wieder stärkten. Auf der Gegenseite natürlich die lange Liste an Verletzungen, die Bradford an der Seitenlinie hielten. Vor allem kam sofort die Frage: was passiert wenn Bridgewater wieder fit ist? Aus rein wirtschaftlicher Sicht, rissen sich die Vikings mit der Bradford-Verpflichtung kein Bein aus – 36 Millionen für zwei Jahre ist ein guter Deal. Wie gut dieser sein sollte, stellte sich erst am Ende der Saison heraus.

In Woche eins kam Bradford noch nicht zum Einsatz (17:16 Sieg über die Bengals), in Woche zwei durfte er aber schon ran. Im neuen Stadion gegen niemand geringeren als den Divisionsrivalen aus Green Bay. Bradford überraschte wirklich alle – die Fans und die Experte, die Kritiker und die ihm freundlich gesinnten: in seinem ersten Spiel war Bradford für 286 Yards (22/31) und zwei Touchdowns, sorgte zwischenzeitlich für einen Schockmoment als er sich die linke Hand nach einem Hit von Clay Matthews verletzte, kam aber wieder zurück und hatte großen Anteil am 17:14 Erfolg seines neuen Arbeitgebers. Vor allem die Verbindung zu Wide Receiver Stefon Diggs funktionierte auf Anhieb, zusammen sollten sie die nächsten Wochen für Furore sorgen. Man hatte Minnesota ja wegen ihrer starken Defensive auf der Rechnung, dass sie aber auch offensiv so stark sein würden, war die erste Saisonüberraschung.

Es folgten weitere starke Auftritte von Bradford mit Siegen gegen Carolina und die New York Giants. Er warf Touchdowns aber keine Interceptions, konnte sich trotz enormer Ausfälle in der O-Line und im Receiver-Corps (Diggs) behaupten. Dennoch musste irgendwann der Einbruch kommen, Bradford hatte es hinter einer desolaten Line nicht leicht, sein Team verlor nach fünf Siegen in Folge gleich vier Spiele. Man sollte nicht mehr richtig den Anschluss finden, verlor in den letzten acht Spielen noch einmal vier (bei nur drei Siegen) und beendete die Saison mit einem ausgeglichenen Record von 8-8.

Dennoch spielte Bradford hervorragend, stellte sogar einen neuen NFL-Rekord auf. 71.6% seiner Pässe kamen bei einem Mitspieler an – noch nie war die Marke höher (Drew Brees hielt den Bestwert mit 71.2%). Insgesamt war 2016 das beste Jahr in Bradfords Karriere: 3.877 Yards, 20 Touchdowns und nur fünf Interceptions. Und das mit einer von Verletzungen geplagten Offensive.

Wie geht es weiter?

Wann genau Teddy Bridgewater wieder zurückkehrt ist noch nicht fixiert (wenn auch einige schon von kommender Preseason sprechen). Die Vikings haben allerdings die Option auf ein fünftes Vertragsjahr, die jedes Team auf einen Firstroundpick besitzt, nicht gezogen, was ob des Verletzungsgrades von Bridgewater nicht weiter verwundert. Bradford hat bisher einen sehr guten Job bei den Vikings gemacht, hat ein Mittel gefunden, wie er mit seinen Passfängern gut harmoniert: viele kurze und schnelle Pässe, mit der Folge von wenig Ballverlusten. Da ich weiß, dass der geübte seNFL-Leser gerne Analysen liest, wagen wir einen kurzen Vergleich zwischen Bridgewater und Bradford – auf Statistiken wird verzichtet, sie würden das Bild verzerren. Jeglicher Vergleich beruht auf dem bisher gesehenen und in der Annahme, dass Bridgewater auch tatsächlich wieder voll und ganz fit wird.

  • Arm Stärke

Prinzipiell muss jedem klar sein: Bradford galt es eines der größten QB-Talente der vergangenen Jahre. Heisman-Trophy-Winner, #1-Pick im Draft. Bridgewater hatte ebenfalls viele Unterstützer, wie oben schon beschrieben fiel er aus sportlichen Gründen ans Ende der erste Runde. Vergleicht man den Arm der beiden, so schenken sie sich gar nichts. Sie verfügen über die nötige Stärke den Ball an jede Position des Spielfelds zu werfen, können – wie man so schön sagt – jeden Wurf in der NFL machen. Hier kann sich also niemand explizit hervorheben.

  • Release

Dieser Punkt geht klar an Bradford. Spätestens heuer sah man, dass das schnelle Loswerden des Balles eine seiner größten Stärken ist (was bei nahezu keinem Schutz seiner Line auch unglaublich wichtig war). Bridgewater hingegen ist eher gemächlich, hat noch nicht die wunderschönste Technik und braucht ein wenig mehr Zeit um den Ball aus seinen Händen befördern zu können.

  • Genauigkeit

Gut, irgendwo müssen wir einen statistischen Vergleich ziehen. Und es fällt auf: beide QBs sind enorm präzise. Über Bradford müssen nicht mehr viele Worte gewechselt werden, der neue NFL-Rekord spricht für sich. Bridgewater ist bei mittellangen Routen enorm stark, bringt dort die meisten seiner Pässe an. Bradford, auch wenn immer wieder von kurzen Pässen die Rede ist, ist auch auf den langen Dingern eine Bank. Sie schenken sich hier nichts.

  • Mobilität

Das geht ganz klar an Bridgewater. Er ist ein guter Läufer und kann über das Laufspiel für Raumgewinn sorgen. Bradford hingegen ist ein QB alter Schule – je weniger Meter zu Fuß zurückgelegt werden müssen, desto besser.

  • Alter

Bridgewater wird im November 25 Jahre alt, Bradford ist fast auf den Tag genau fünf Jahre älter. Das spricht natürlich eher für Teddy, wenngleich 30 bei weitem kein Alter für einen Quarterback in der NFL darstellt.

  • Verletzungen

Sie sind sich einfach in allem ähnlich. Wohl die wenigsten hätten Bradford nach zwei schweren Knieverletzungen ein solches Comeback zugetraut. Für Bridgewater bedeutet das: der Teamkollege und erste Rivale kann als Motivation und Vorbild dienen. Mental ist Bridgewater hervorragend eingestellt:

https://twitter.com/RetkaSam/status/807101466703970304

Unterm Strich…


…wird sich zeigen, ob Teddy wieder zurückkommt. Minnesota hat definitiv im kommenden Jahr zwei Free Agents auf der Quarterback-Position, aber auch zwei sehr gute und ähnliche Spieler. Spielt Bradford eine ähnliche Saison wie heuer, dürfte man wohl auch mit ihm künftig weitergehen – zu gutem Geld versteht sich. Man hat ein wenig das Gefühl, dass Teddys Karriere derzeit am seidenen Faden hängt. In der NFL kann alles sehr schnell gehen, Spieler werden schnell ersetzt. Oder erleben eben wieder ihre Auferstehung. Wie zuletzt gesehen – bei Sam Bradford.

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