Cleveland Browns – Was hat uns bloß so ruiniert?

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2019 sollte das Jahr der Cleveland Browns werden. Mit spektakulären Trades, einem aufstrebenden Quarterback und einem jungen Head Coach sollte endlich der Turnaround geschafft und Cleveland in die Top-NFL-Regionen gehievt werden. Nach Ablauf der Regular Season steht fest: Vom Hype und vom gesteckten Ziel ist nichts mehr übrig. Die Browns zerfallen wieder einmal in sich selbst.

Sechs Siege, zehn Niederlagen – die Ausbeute der Browns in dieser Saison fiel auf Grund der vorhandenen Spieler äußerst mau, ja fast schon unterirdisch aus. General Manager John Dorsey tat vieles um sein Team besser aufzustellen, er tradete in der Offseason für Wide Receiver-Superstar Odell Beckham Jr. und verpflichtete Sheldon Richardson für die Defensive. Mit Kareem Hunt kam eine der explosivsten aber auch umstrittensten Runningback-Personalien zum Team. Jarvis Landry, Nick Chubb, Baker Mayfield waren schon da, der Hype groß. Das Kartenhaus der Browns fiel zusammen, sogar noch vor dem Black Monday wurde Head Coach Freddie Kitchens gefeuert. Kurz vor Jahreswechsel dann die zweite Bombe: Auch Dorsey muss die Franchise verlassen. Browns-Owner Jimmy Haslam hatte eine andere, kleinere Rolle für Dorsey vorgesehen, man konnte sich aber nicht über die neue Aufgabenverteilung einigen. Damit steht Haslam wieder einmal ohne General Manager und ohne Head Coach da. Zum fünften Mal seit seiner Übernahme vor sieben Jahren. Only in Cleveland. Aber wie konnte es so weit kommen?

Nach der Saison 2018, die mit einem Record von sieben Siegen, einem Unentschieden und acht Niederlagen ausfiel, befand sich Dorsey zunächst ebenfalls mitten in der Trainersuche. Der – nett ausgedrückt – glücklose Head Coach Hue Jackson wurde während der Saison entlassen, Defensive Coordinator Gregg Williams übernahm für ihn, neuer Offensive Coordinator wurde Freddie Kitchens. Letzterer konnte den Angriff der Browns um Baker Mayfield deutlich explosiver gestalten und der Rookie betonte die gute Beziehung zu Kitchens. Dorsey nahm dies zum Anlass, Kitchens gleich mit dem vakanten Head Coaching-Posten zu belohnen. Dorsey, Kitchens und Baker – das musste funktionieren. Mayfield, wie wir jetzt wissen, konnte an seine starke Rookie-Saison nicht anknüpfen, warf nur 22 Touchdowns bei satten 21 Interceptions. Klar, nicht jeder Pick geht auf die Kappe des Overall-First-Round-Picks des Drafts 2018, die Vorstellung des 24-Jährigen allgemein war aber insgesamt einfach zu dürftig.

Kitchens wiederum gab sich zu Saisonbeginn kampflustig, die Vorstellungs-Pressekonferenz startete den Hype-Train erst so richtig. Mayfield, Chubb, Hunt, Landry, Beckham, Njoku und ein junger Trainer der weiß, wie man das Beste aus Mayfield herausholt und der versteht, wie sehr sich die Fans der Browns nach einem Erfolg, irgendeinem Erfolg sehnen. Schon nach wenigen Wochen pulverisierte sich der Hype, Cleveland fiel vor allem durch ihre nicht vorhandene Disziplin auf. Das Team produzierte Woche für Woche eine absurde Anzahl an Strafen, verbaute sich so mögliche Siege und Kitchens zahlte nicht selten den Tribut eines Rookie-Coaches. Schlechtes Zeitmanagement, katastrophale Challenges und schier schlechtes Coaching ließen rasch Zweifel aufkommen, ob die Bestellung des 45-Jährigen auch die richtige Entscheidung war.

Dorsey stellte Ktichens mit Todd Monken und Steve Wilks zwei erfahrene Männer als Koordinatoren zur Seite. Monken gilt als einer der aufstrebendsten Offensiv-Köpfe der Liga, konnte sich bei den Tampa Bay Buccaneers einen Namen machen. Wilks war als Head Coach bei den Arizona Cardinals ähnlich unbrauchbar wie Kitchens bei den Browns, sollte Letzterem aber defensiv den Rücken stärken. Wie so vieles, sah das Duo Kitchens-Monken auf dem Papier sehr vielversprechend aus, auf einen gemeinsamen Nenner kamen die Beiden aber letztendlich nie. Kitchens beanspruchte das Play-Calling für sich, Monken soll laut Informationen von The Athletic gegnerischen Coaches gegenüber seinen Unmut über das Team und Kitchens geäußert haben: Das Team sei eine einzige Katastrophe und Kitchens soll den in der Woche vorbereiteten Gameplan regelmäßig am Spieltag komplett verwerfen.

Nur ein weiterer Gipfel in der Head Coaching-Vita von Kitchens. Nach dem irren Aussetzer von Myles Garrett im ersten Spiel gegen die Pittsburgh Steelers trat Kitchens mit “Pittsburgh started it”-Shirt auf. Odell Beckham Jr. und Jarvis Landry zeigten sich beide extrem unzufrieden mit der vorhandenen Situation und sollen sich gerüchteweise schon bei gegnerischen Teams angeboten haben. Baker Mayfield kritisierte gegen Ende der Saison Mitarbeiter der Browns und des Coaching-Staffs öffentlich und legte sich vor dem letzten Spiel noch mit eigenen Fans an. Kitchens hatte nichts unter Kontrolle.

Kitchens musste schlussendlich gehen.

NFL-Insider berichteten schon vor dem Jahreswechsel, dass es nicht nur bei dem Rauswurf des Head Coaches bleiben könnte. Auch General Manager John Dorsey schien angezählt. Dorsey war erst seit zwei Jahren bei den Browns, auf ihn gehen auch die Verpflichtungen von Mayfield, Chubb und Denzel Ward zurück. Browns Owner Jimmy Haslam trennte sich tatsächlich kurz vor Jahreswechsel von seinem GM.

“Uns fehlte Identität und Führung”, sagte Jarvis Landry in einem Interview. Clevelands Identität ist die Kurzlebigkeit, die Ungeduld des Owners. Kitchens zu entlassen war der einzig logische und konsequente Schritt. Dorseys Rauswurf hingegen kam überraschend und noch ist nicht sicher, wie vernünftig dieser Schritt tatsächlich war. Die Bestellung Kitchens zum Head Coach war ein Fehler, das ziehen lassen von Stützen der Offensive-Line ebenso. Dorsey wird sicherlich schnell eine neue Stelle bei einem anderen Team finden oder sich einfach zurücklehnen, schließlich zahlt ihm Haslam weiterhin sein Gehalt.

Wer übernimmt den Laden jetzt?

Vieles deutet auf den klassischen Fehler hin: Haslam scheint die New England Patriots kopieren zu wollen. Das hat außerhalb Foxboroughs noch nirgends funktioniert, in welche Lage sich eine Franchise mit Ex-Belichick-Personal begibt kann man derzeit live bei den Detroit Lions beobachten. Josh McDaniels (OC der Patriots) soll einer der Wunschkandidaten für den Head Coaching-Posten sein, er scheint aber nur dann interessiert zu sein, wenn er auch das gesamte Sagen über sein eigenes Personal hat. Zusammen mit Dorsey wäre das wohl nicht gegangen. Patriots-General Manager Nick Caserios Vertrag läuft mit der Saison aus, er wäre sicherlich ein Mann, den Haslam verpflichten würde. Andere Männer aus dem Umfeld von Belichick gelten ebenfalls als wahrscheinlich, Patriots Pro Personal Director Dave Ziegler (den McDaniels schon nach Denver mitnahm) oder Scott Pioli sollen ebenfalls auf der Liste für einen neuen GM stehen.

Oder es kommt anders und Mike McCarthy wagt das Abenteuer Cleveland. Der 56-Jährige hat sich nach seinem Rauswurf bei den Green Bay Packers ein Jahr pause genommen und könnte der richtige Mann sein, um alles aus dem talentierten Kader herauszuholen und Baker Mayfield zu fixen. Außerdem kennt er Assistant General Manager Eliot Wolf aus der gemeinsamen Zeit bei den Packers sehr gut. Welche Rolle Wolf und auch Chief Strategy Officer Paul DePodesta weiterhin einnehmen, weiß niemand genau.

Ron Rivera wäre ebenfalls so ein Trainer-Typ gewesen, er schloss sich aber den Washington Redskins an. Matt Rhule – Head Coach Baylor Bears – wird von den New York Giants und Carolina Panthers stark umworben und hat den Browns offenbar schon abgesagt.

Wer auch immer nach Cleveland kommt braucht ein dickes Fell und eine ordentliche Portion Selbstvertrauen. Die Franchise scheint kaputter denn je, was angesichts der Katastrophen-Jahre unter Hue Jackson eine beachtliche Leistung darstellt. Der Kader der Browns ist von allen auf der Suche nach Head Coaches befindlichen Franchises sicherlich der interessanteste. Der eigenwillige Owner und das Umfeld aber sehr abschreckend.

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